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Science Slams in der Kritik

05. August 2015

  • Erstellt von Ursula Resch-Esser
  • 5
  • z Meinungen
Publikum beim Science Slam Array

Beim Science Slam bewertet das Publikum die Vorträge. Foto: Christof Rieken/WiD

Science Slams gehören zu den erfolgreichen Formaten der Wissenschaftskommunikation. Nach ihrem Start im Jahr 2006 gibt es mittlerweile wohl keine Universitätsstadt mehr ohne eine solche Veranstaltung. Science Slams sind in Langen Nächten der Wissenschaft zu finden und im Programm von Fachtagungen.

In letzter Zeit regt sich Kritik. In der Zeitschrift Forschung & Lehre bezeichnet Magnus Klaue, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Simon-Dubnow-Institut, Slammer als „verbissen an der Optimierung ihrer Performance arbeitende Existenzgründer“ und nennt Science Slams populistisch und autoritär. Science Slammer gingen „bierernst zu Werke“ um „möglichst zeitsparend und massenkompatibel die Allgemeinverständlichkeit und gesellschaftliche Unentbehrlichkeit ihres Broterwerbs vor Augen zu führen“. Der Bonner Science Slammer Cornelius Courts kritisiert, dass die Spielregeln des Science Slams nicht eingehalten und oft diejenigen gewinnen würden, die nicht die eigene Forschung präsentieren sondern vor allem auf Klamauk, Gags und Plattitüden setzten. In seinem Blog „blooD’N'Acid“ hat er nun erklärt, künftig nur noch zu slammen, wenn die Spielregeln hinsichtlich Themenwahl und Vortragsdauer eingehalten würden. Wir sprachen mit André Lampe über die Situation der Science Slams. Der Physiker ist Science Slammer seit 2010, moderiert Slams und gibt Kurse für angehende Science Slammer. Als Doktorand an der FU Berlin arbeitet er im Bereich Hochauflösungsmikroskopie. Als Blogger schreibt André Lampe bei den ScienceBlogs – und als Moderator ist er in der Fernsehsendung TM Wissen bei ServusTV zu sehen.

WiD: André, müssen wir uns Sorgen um die Zukunft der Science Slams machen?

André Lampe: Ich denke nicht, wobei ich die Frage anders stellen würde: Hat der Science Slam Zukunft? Es sieht im Moment wohl danach aus, rein vom Standpunkt der Besucherzahlen gesprochen. Die meisten Science Slams sind gut besucht bis ausverkauft. Das heißt wohl, dass die Leute gerne zu einer solchen Veranstaltung gehen. Ob das so bleibt, kann ich nicht sagen. Das hängt auch von den Veranstaltern ab, ob sie das Format verkommen lassen – sei es über die Missachtung der Regeln, wie es Cornelius anspricht, das Übervorteilen der Teilnehmer, bei der Fahrtkostenerstattung beispielsweise, oder andere Dinge. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Bühnenformat kaputt zu machen.

WiD: Magnus Klaue übt heftige Kritik an den Science Slams, ein Einzelfall oder eher die Spitze des Eisbergs?

André Lampe: Ich habe persönlich viel Kritik für meine Science Slam Vorträge bekommen, dass man das doch so einfach nicht darstellen könne, dass das unangemessen sei, dass ich mich schämen solle. Auch weiß ich, dass manche meiner Slammer-Kolleginnen und -Kollegen mit ihren Auftritten bei ihren Chefs nicht auf Gegenliebe gestoßen sind. So gesehen ist Klaues Kritik wohl wirklich nur die Spitze des Eisbergs. Man könnte fast meinen, dass manch einer Angst vorm Science Slam hat.

Die Kritik von Herrn Klaue habe ich aufmerksam gelesen und wundere mich immer noch darüber, wie er zu dem Schluss kommt, dass Wissenschaftler aus ökonomischen Gründen oder zur Rechtfertigung ihrer Arbeit an Science Slams teilnehmen. Noch mehr erstaunt mich Herrn Klaues Aussage, dass die jungen Wissenschaftler mit Science Slams auf ihre Torschlusspanik und prekäre Zukunftsaussichten reagieren, wie kürzlich in der FAZ geschrieben. Mich würde sehr interessieren, wie er auf diese Ideen gekommen ist. Ein Gespräch mit ihm fände ich spannend. Wobei, vielleicht ist es auch nicht so spannend bei einem Menschen, der gerne pauschale Vorwürfe macht, wie den, dass Science Slams ihr Publikum als „Kollektiv von Infantilen“ behandeln. Wie dem auch sei, ich ignoriere diese Kritik nicht einfach, ich nehme sie mir schon zu Herzen. Allerdings hat mir mal ein erfahrener Bühnenkünstler gesagt: „Wenn am Ende des Abends alle klatschen und zwei Leute angepisst sind, dann hast du alles richtig gemacht.“ Zwar kann der Science Slam auch Wissen vermitteln, er ist aber auch Bühnenkunst und ich meine das in keiner Weise abwertend.

WiD: Auch die Slammerinnen und Slammer scheinen nicht uneingeschränkt zufrieden mit der Entwicklung der Slams zu sein. Wie wichtig sind die Spielregeln für Wettbewerb?

André Lampe: Die Spielregeln sind sehr wichtig, schließlich wird der Science Slam darüber definiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erzählen über die eigene Forschung, sie haben zehn Minuten Zeit dafür und das Publikum bestimmt, wer die oder der Beste war. Wenn einer dieser Aspekte fehlt, dann handelt es sich um irgendwas, aber nicht um einen Science Slam. Wenn ich an einem Science Slam teilnehme und eine Experten-Jury vor mir sitzen habe und nicht das Publikum als Entscheidungsinstanz, wenn mir mehr oder weniger als zehn Minuten für den Vortrag gegeben werden, oder wenn ich Slammerinnen und Slammer auf der Bühne sehe, die überhaupt nicht über ihre eigene Forschung reden, dann sage ich etwas dazu. Erst zum Veranstalter, dem ich grundsätzlich Fingerspitzengefühl und Weitblick zutraue, bis mir das Gegenteil bewiesen wird. Dann suche ich das Gespräch mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Mir ist das noch nicht so oft untergekommen. Nach den Berichten von Cornelius muss ich mich diesbezüglich anscheinend glücklich schätzen.

WiD: Und wie wichtig ist das Gewinnen für Slammerinnen, Slammer und das Publikum?

André Lampe: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es den meisten Slammerinnen und Slammern herzlich egal ist, wem das Publikum am Abend den Sieg zuspricht. Ich würde heute wohl keine Science Slam Vorträge mehr machen, wenn für mich das Gewinnen im Vordergrund stehen würde. Jemand, dem das Gewinnen die Grundmotivation liefert, der ist, meiner Meinung nach, beim Science Slam fehl am Platze. Mir sind vor allem die zehn Minuten wichtig, in denen ich den Leuten von meiner Forschung erzählen kann. Nicht um mich dafür zu rechtfertigen, sondern um mal zu zeigen, was für faszinierende Dinge wir im Labor machen. Ich empfinde das sogar als meine Pflicht. Schließlich wurden Geräte und auch mein Gehalt von Steuergeldern bezahlt. Ich will damit nicht sagen, dass jeder am Science Slam teilnehmen soll. Ich will damit sagen, dass man als Wissenschaftler über das reden sollte, wofür die öffentlich Hand bezahlt. Das Format kann man sich frei wählen, aber nichts nach außen zu tragen, finde ich falsch.

Ich glaube, dass die Abstimmung über den Gewinner des Science Slams vor allem für das Publikum wichtig ist, das macht es doch so spannend. Ich kann das allerdings nicht mit Untersuchungen untermauern. Das ist lediglich mein Eindruck von den Veranstaltungen, auf denen ich schon war.

WiD: Sind Science Slams ein Sprungbrett für Nachwuchswissenschaftler weg von der Wissenschaft hin zu Kommunikation und Medien?

André Lampe: Nein, das würde ich so nicht sagen. Sicher gibt es einige, die durch Science Slams bekannter geworden sind, erfolgreich Bücher geschrieben haben wie Giulia Enders oder im Fernsehen sind wie Reinhard Remfort. Mir ist aber bisher kein Wissenschaftler bekannt, der wegen des Erfolgs beim Science Slam mit der Wissenschaft aufgehört hat. Giulia und Reinhard arbeiten weiterhin in der Wissenschaft, wenn mich nicht alles täuscht. Von Reinhard weiß ich persönlich, dass er schon vor dem Slammen gerne über Wissenschaft kommuniziert hat. An der Stelle kam der Science Slam eher als gute Gelegenheit daher und war nicht Auslöser überhaupt zu kommunizieren. Vielleicht wird Science Slam ein Sprungbrett für Studierende oder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne große Hindernisse mit der Wissenschaftskommunikation anzufangen. Fakt ist doch, dass unsere Universitäten und Institute grundsätzlich nicht vorsehen, dass diese Menschen Wissenschaft kommunizieren oder überhaupt dazu befähigt werden. Slams können da sicher eine Möglichkeit zum Ausprobieren bieten. Ich denke aber nicht, dass Slams von der Wissenschaft weg führen.

WiD: Wer slammt eigentlich?

André Lampe: Jeder kann mitmachen, vom Studierenden, der schon eigene Forschung vorzuweisen hat, bis zu Professorinnen und Professoren. Wir sind ein ziemlich netter und aufgeschlossener Haufen. Ich würde da nicht von einer Szene reden, dafür sieht man sich zu wenig. Aber man lernt viele interessante Menschen kennen.

WiD: Welche Vorteile hat man davon?

André Lampe: Du meinst, welche Vorteile man davon hat, wenn man vor einem großen Publikum einen Vortrag hält? Spätestens auf der ersten Konferenz, bei der man als Doktorandin oder Doktorand vor einem Fachpublikum sein Projekt vorstellen darf, merkt man, wie hilfreich die Routine einer Bühne für eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler sein kann. Aber abgesehen davon ist es auch nett, wenn man seiner Familie erklären kann, was man denn den ganzen Tag so in der Forschung getrieben hat. Die Fähigkeit, komplizierte Sachzusammenhänge herunter brechen zu können, ist eine Fähigkeit, die einen persönlich beim Wechsel in die Industrie, aber auch in der Wissenschaft selbst, weiter bringt. Damit meine ich jetzt kein Erklären für Dumme. Es geht darum, so erklären zu können, dass ein Außenstehender die Grundkonzepte verstehen kann. Oft hört man doch, dass die Wissenschaft immer interdisziplinärer wird – da braucht man auch die Fähigkeit, gut kommunizieren zu können.

WiD: Schadet oder nutzt Slammen der Karriere?

André Lampe: Bei der wachsenden Kritik und auch aufgrund einiger E-Mails an mich persönlich, fürchte ich, dass Slammen in manchen Fällen der Karriere in der Wissenschaft schaden kann. Das betrübt mich sehr, vor allem, weil die Auseinandersetzung mit dem Science Slam eigentlich Fähigkeiten fördert, die einem wirklich weiter helfen.

WiD: Warum sollten junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es (trotzdem) tun?

André Lampe: Eine knifflige Frage. Ich würde sagen, dass jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler es wenigstens einmal ernsthaft erwägen sollte. Nicht jeder fühlt sich auf der Bühne wohl, aber man kann das eigentlich erst genau wissen, wenn man es ausprobiert hat. Gerade Menschen, die von sich selbst sagen, dass sie nicht besonders extrovertiert sind, habe ich schon auf einer Slam-Bühne ganz besonders glänzen sehen. Die Kommunikation von Wissenschaft, besonders das einfache Erklären, sollte nicht optional sein oder sich auf Pressemitteilungen beschränken. Ich sage es nochmal, damit meine ich ganz ausdrücklich nicht das Erklären für Dumme. Science Slam ist nur ein Weg, Wissenschaft zu kommunizieren. Es gibt noch sehr viele weitere. Aber ich bin davon überzeugt, dass der Science Slam nicht das einzige, neue Format der Wissenschaftskommunikation auf einer Bühne oder in einer Kneipe bleiben wird. Das Interesse, und ich denke auch der Bedarf dafür, ist vorhanden.


5 Kommentare

  1. Prof. Herbert Dreiner, Ph.D. am 05.08.2015

    Hi,

    slamme selber leidenschaftlich gerne, auch wenn ich schon mal die 10min etwas überziehe. Kann die Kritik von Herrn Klaue überhaupt nicht nachvollziehen und sehe auch keine Karrierenachteile für Wissenschaftler die slammen. Spassbremsen gibt es überall; lasst Euch nicht entmutigen.

    H. Dreiner

  2. Peter am 06.08.2015

    Ich war von Anfang an sehr begeistert über das Format Science Slam. Deswegen habe ich in den letzten beiden Jahren fast keinen Science Slam verpasst. Was mich allerdings etwas stört ist, dass selten/kaum die zu erwartenden Themen vor dem Slam kommuniziert werden. Viele Slammer habe ich schon 3-4x gehört, und dann wird es auch ein bisschen.. eintönig. Daran ist natürlich nicht der Slammer schuld, aber als Veranstalter würde ich mir überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre da etwas zu ändern. Mehr Slammer zu überzeugen ist natürlich nicht einfach, und natürlich muss auch Umsatz gemacht werden durch regelmäßige Slams. Einen guten Vortrag kann man sich zweimal oder aber vielleicht auch dreimal anschauen. Aber man erwartet denke ich als Zuschauer doch etwas Abwechslung. Deswegen könnte man zumindest die Slammer vorab veröffentlichen um herauszufinden, ob überhaupt etwas Neues zu erwarten ist.

  3. Dr. Sebastian Bartoschek am 06.08.2015

    Ich slamme selbst. Coache Azubis und Schüler sowie Doktoranden - damit sie lernen, sich und ihre Arbeit gut und verständlich zu präsentieren. Das Publikum liebt Science Slam - es liebt Wissenschaft. Man kann sich das als Wissenschaftler natürlich kaputt reden - ist halt nur kontraproduktiv. Denn Elfenbeintürme will niemand mehr bezahlen... hoffentlich!

  4. binky der clown am 06.08.2015

    kann die kritik aus eigener erfahrung, sowohl als slammer als auch als organisator leider nur bestätigen. die meisten slams bei denen ich zugegen war, zeichneten sich eher durch miefige bierzeltatmosphäre aus, will sagen, den meisten zuspruch erhielten die mit den meisten zoten, kalauern und altherrenwitzen. mit wissenschaft hatte das in der regel wenig zu tun...

  5. Georg Lux am 02.02.2019

    Science-Slam von Wissenschaftlern für Wissenschaftler?

    Das wäre schade. Ich war als nicht Wissenschaftler schon bei sehr vielen "Slam-Wettbewerben" und war immer begeistert. Es ist dabei völlig egal ob eigene Forschung vorgestellt wird oder ein Thema aus dem Fachgebiet eines Slammers vorgestellt wird. Wichtig ist, dass es verständlich ist und ich etwas lernen kann.

    Gruß

    Georg

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