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Tag 2: Auf der Suche nach dem Dialog

10. Dezember 2014

  • Erstellt von Philipp Schrögel
  • 2
  • A Wissenschaftskommunikation
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Nach dem angenehm kontroversen ersten Tag (wenn es nichts zu diskutieren gäbe, wäre es eine ermattende Veranstaltung) mit nötigen Grundsatzdebatten und Positionsbestimmungen, nahm ich aus meiner Perspektive den zweiten Tag als Aufbruch zu handfesten Ansätzen und Lösungen wahr.

Als ein zentrales Thema neben dem Hauptthema des Forums - der Rollen- und Positionsbestimmung - zieht sich ein Wort wie ein roter Faden durch alle Diskussionen: "Dialog". Manch einer möchte es als abgenutztes Buzzword schon gar nicht mehr hören, aber dennoch bleibt die Frage, was wir uns als Wissenschaftskommunikatoren/innen darunter vorstellen und davon erwarten.

Aus der Session genau zu diesem Thema ("Das große Schweigen? Wie gut funktionieren dialogische Formate in der Wissenschaftskommunikation?") hat Elisabeth Hoffmann hier schon berichtet. Ich möchte dazu die Session zur Projektvorstellung von Beteiligungsformaten ergänzen, wo ich die schöne Aufgabe hatte Moderator sein zu dürfen.

Die dort vorgestellten Projekte hatten eine große Bandbreite, von der reinen Informationsplattform im Web (die Wissensplattform Erde und Umwelt vorgestellt von Dr. Ute Münch, Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam und die Shale Gas Information Platform SHIP vorgestellt von Dr. Alexandra Vetter, ebenfalls Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam) über die Einbindung der NGOs und Verbände (Die Aktivitäten der Zivilgesellschaftliche Plattform ForschungsWende, vorgestellt von Dr. Steffi Ober, Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e. V.) bis zu Diskussionsformaten (Debate Science! – Europäische Schülerparlamente, vorgestellt von Hella Grenzebach, Wissenschaft im Dialog) oder kreativen Mitmachangeboten (Die partizipative Performance "Adel/Elite?!", vorgestellt von Carina Teufel, Haus der Wissenschaften Braunschweig).

Einige im Publikum haben später angemerkt, dass sie sich unter "Beteiligung" etwas anderes vorgestellt hatten als eine einfache Webseite. Aber genau hier fängt für mich auf der untersten Stufe Beteiligung (wohlgemerkt nicht Dialog) an: die transparente und gut aufbereitete Darstellung von Prozessen und Ergebnissen. Allerdings ist es gerade bei kontroversen Themen wie beispielsweise Fracking aus meiner Sicht essenziell, für eine ausgewogene Darstellung inklusive der kritischen Aspekte zu sorgen und nach Möglichst auch andere Stimmen einzubinden, beispielsweise durch einen heterogenen Beirat oder Gastbeiträge. Erst dann ist es keine reine Außendarstellung mehr, sondern eine Informationsplattform.  

Eine in diesem Zusammenhang spannende Beobachtung war, dass bei der Plattform zu Fracking Anfangs die Möglichkeit zur Kommentierung bestand. Ganz entgegen meiner Vermutung wurde dies aber nicht bzw. kaum genutzt, so dass die Funktion zwei Jahre später entfernt wurde.

Dies knüpft an den Diskussionsstrang aus der Session "Das große Schweigen" an: wo sind die Grenzen der Partizipation von Seite der Bürger/innen? Nicht jeder kann sich immer und überall einbringen, allein schon aus Zeitgründen. Ist es Aufgabe der Wissenschaftskommunikatoren/innen, dies bei der Konzeption von Dialogangeboten zu berücksichtigen und diese nur fokussiert anzubieten? Oder sollten die Angebote möglichst breit sein und es erfolgt eine "Abstimmung mit den Füßen" je nach Annahme durch die Nutzer/innen?

Aber ebenso zeigt sich an der Rückmeldung, dass die Erwartungen an eine Beteiligung und insbesondere das Wort Dialog sehr unterschiedlich sind. Häufig bin ich auch in meinem beruflichen Alltag bei der Konzeption und Moderation von Bürgerdialogen auf die Ansicht gestoßen "Wenn meine/unsere Meinung nicht umgesetzt wird, ist es kein Dialog". Dabei ist es an sich ein unbestimmter Begriff. Der Duden sagt:

  1. (bildungssprachlich) von zwei oder mehreren Personen abwechselnd geführte Rede und Gegenrede; Zwiegespräch, Wechselrede
  2. (bildungssprachlich) Gespräche, die zwischen zwei Interessengruppen geführt werden mit dem Zweck des Kennenlernens der gegenseitigen Standpunkte o. Ä.


Damit will ich keinesfalls rechtfertigen, dass "Dialoge" zu Wissenschaftsthemen angekündigt werden, die als reine Außendarstellung, Akzeptanzbeschaffung und Beschwichtigung zu sehen sind. Es ist unabdingbar, dass die Einbettung und die Gestaltungsmöglichkeiten eines Dialoges einerseits klar kommuniziert werden und andererseits auch fair definiert werden. Wenn es Gestaltungsspielraum gibt, soll dieser auch in einem Dialog auf den Tisch kommen. Insofern finde ich die zugespitzte Formulierung von Elisabeth Hoffmann sehr passend: "Eigentlich sind Dialogformate nur erfolgversprechend, wenn ich [als Wissenschaftskommunikatorin und Ausrichterin] vorher schon ein wenig Angst davor habe" [weil es eben um etwas geht und noch offen ist, wie es ausgeht].

Aber genauso möchte ich dafür plädieren, Dialoge nicht mit überhöhten Erwartungen zu beladen. Nicht an jeder Stelle und zu jeder Gelegenheit kann und muss über alles diskutiert werden. Damit widerspreche ich Dietram Scheufele mit seiner noch weiter zugespitzten Formulierung aus dem Eröffnungspanel "Wenn ich einen Dialog starte, muss ich auch bereit sein als Ergebnis mein Labor zuzusperren".

Als Beispiel: wenn es einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Debatte, beispielsweise zu Gentechnik bedarf, dann kann diese nicht dezentral mal hier und dort an Institutsstandorten mit unterschiedlichen Ergebnissen (hier wird ein Labor zugesperrt und dort nicht) geführt werden. Dazu muss eine übergeordnete öffentliche Diskussion und gemeinsame Entscheidungsfindung stattfinden, Partizipationsformate eingebettet in die repräsentativ-demokratischen Strukturen gemeinsam mit der organisierten Zivilgesellschaft.

Wenn dann an einem einzelnen Institut ein Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern zu den Forschungsaktivitäten vor Ort geführt wird, ist die Maximalforderung eines grundsätzlichen Verbots der gesamten Forschung in diesem Bereich aus meiner Sicht keine legitime Option mehr.










2 Kommentare

  1. Reiner Korbmann; wissenschaftkommuniziert.wordpress.de am 12.12.2014

    Durch alle Vorträge, Präsentationen und Diskussionen um den "Dialog" schwebt immer wieder die Vorstellung, dass der einzelne Wissenschaftler mit "dem Bürger", also einzelnen Bürgern zu sprechen habe. Hat denn die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation noch nicht entdeckt, dass sich in unserer Gesellschaft (in anderen Bereichen) längst Formen des Bürgerdialogs durchgesetzt haben, die weit entfernt sind von dem, was manche Sozialwissenschaftler (deutsche) der Wissenschaft an Gesprächen in kleinen Gruppen empfehlen? Es gibt Interessengruppen, Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen, Berufsorganisationen, Gewerkschaften, politische Gruppen usw. wo sich der Bürger heute artikuliert (und die viel zur Meinungsbildung der Bürger beitragen). Mit ihnen ins Gespräch zu kommen ist einfacher und bewirkt mehr, als wenn ich 20/40/60 Bürger in einen formellen "Bürgerdialog" einbeziehe (eigentlich Alibiveranstaltungen, solange sie - wie meistens - keine Konsequenzen haben). Der Satz von Scheufele "...notfalls das Labor zusperren" ist drastisch und schreckt vielleicht manchen Wissenschaftler vom Dialog ab, aber er ist richtig und sagt vor allem: Es hat keinen Sinn einen Dialog zu beginnen, wenn ich nicht bereit bin, zuzuhören und Konsequenzen zu ziehen aus dem, was ich höre. Darum geht es bei den dialogischen Formaten. Ein Musterbeispiel ist für mich der von Heiner Geißler moderierte Dialog um "Stuttgart 21", der sogar im Fernsehen übertragen wurde und die Diskussion wirklich vorangebracht hat. Auch wenn ich in diesem Fall bei den Konsequenzen bisher so meine Zweifel habe.

  2. Philipp Schrögel am 15.12.2014

    Bei der Bewertung der Art von Dialogen stimme ich Reiner Korbmann zu. Kleine Runde Tische oder Konsensuskonferenzen sind nicht alles. Das meinte ich oben mit der "organisierten Zivilgesellschaft", habe es aber nicht weiter ausgeführt.

     

    Zu den Grenzen der Beteiligung bin ich soeben auf eine aktuelle passende Veröffentlichung der Hertie School gestoßen: www.hertie-school.org/fileadmin/images/Downloads/bundesfreiwilligendienst/Endversion_CSI_Policy_Paper_Betroffen_aber_nicht_aktiv.pdf

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