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Stimmt es eigentlich, dass die meisten Kinder keinen Spinat mögen, und wenn ja, warum ist das so?

02. Februar 2015

  • C Geistes- und Sozialwissenschaften
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Auch wenn sich das Image von Spinat in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt hat, gibt es die kindlichen Vorbehalte immer noch. Schuld sind genetische und angelernte Faktoren. Doch es gibt ein paar Tricks das zu ändern. ©Chris Schaer/CC BY-SA 2.0 (http://tinyurl.com/chrisschaer)

Die wechselvolle Geschichte des Spinats als Kinderschreck nahm ihren Anfang im späten 19. Jahrhundert. Damals sorgte ein Missverständnis dafür, dass Spinat für eine regelrechte Eisenbombe gehalten wurde. Die Angaben bezogen sich allerdings auf getrockneten Spinat, der 10 Mal mehr Eisen als frischer besitzt. Generationen von Müttern versuchten, ihren Kindern den scheinbar supergesunden Spinat aufzudrängen, was auf wenig Gegenliebe stieß. 

Erst eine große Lebensmittelfirma verhalf dem grünen Gemüse in den 90er Jahren zu einem besseren Image. Spinat war nun buchstäblich in aller Munde. Die Kampagne mit dem „Blubb“ revolutionierte die gesamte „Spinatkommunikation“ zwischen Mutter und Kind. Das abstrakte „das ist gesund, das musst du essen“  wurde zu einem viel zwangloseren „das ist lecker“. Nun wurde der Spinat auch bei Kindern beliebter.

Aber auch das beste Marketing kann nichts daran ändern, dass Kinder in der Tat mäkliger als Erwachsene sind. Erklärungen und Gründe dafür gibt es einige. Ein Zusammenspiel aus angeborenen und erlernten Faktoren sorgt dafür, dass Kinder vor allem saure und bittere Lebensmittel ablehnen. Und so kann es vorkommen, dass sie neben Brokkoli und grüner Paprika eben auch Spinat verschmähen.

Eine Erklärung liefert die Evolutionsbiologie. Wissenschaftler gehen davon aus, dass unsere Gene im Großen und Ganzen noch denen unserer jagenden und sammelnden Vorfahren entsprechen. Alles, was unbekannt, bitter und sauer ist, könnte potenziell giftig, ungenießbar oder verdorben sein. Ein überlebenswichtiger Reflex für unsere Vorfahren – weitestgehend überflüssig in der modernen Welt von heute. Die Evolution hinkt dem schnellen Wandel der Lebensbedingungen hinterher und so wird bei Kindern noch dieser „Sicherheitsgeschmack“ aktiviert, welcher erst durch über Jahre erworbene Lebenserfahrung überschrieben werden kann. 

Hinzu kommt, dass Kinder viel mehr Geschmacksnerven als Erwachsene besitzen. Im Laufe des Lebens reduzieren sich unsere Geschmacksknospen um etwa die Hälfe – von ca. 10.000 bei Säuglingen bis 4.000 bei Senioren. Säuglinge und Kleinkinder schmecken daher alles viel intensiver, können die Eindrücke aber noch nicht einordnen und reagieren im Sinne ihres „Sicherheitsreflexes“ mit Ablehnung – die Muttermilch ist schließlich eher süßlich, das Fruchtwasser ebenso. „Übung macht den Meister“, gilt daher auch beim Essen. Denn Kinder mögen Speisen oft erst dann, wenn sie acht bis 15 Mal davon probiert haben. Diese sogenannte Neophobie – die Angst vor Neuem – nimmt meist erst im Laufe der Kindheit ab. Man kann Kindern also ruhig öfter Spinat vorsetzen, vorausgesetzt man zwingt sie nicht, ihn aufzuessen.

Auch die Vorbildfunktion der Eltern hat einen entscheidenden Einfluss auf die Essgewohnheiten eines Kindes. Wenn die Eltern als natürliche Vorbilder im Beisein ihrer Kinder ein unbekanntes Lebensmittel essen, sind die Kleinen viel eher dazu bereit, es auch einmal zu probieren. 

Nicht zuletzt die Zubereitung kann helfen, den Spinat beliebter zu machen. Für den bitteren Geschmack und das Gefühl, der Mund würde sich beim Essen zusammenziehen sind nämlich sogenannte Saponine beziehungsweise Oxalsäuren verantwortlich. Gibt man aber einen Klecks Sahne – also den berühmten „Blubb“ - in den Spinat, reagiert das Calcium darin mit den Bitterstoffen und deckt den Geschmack gewissermaßen zu. Hier gilt aber auch: Bloß keinen Zwang und viel Geduld. 

Bei der Beantwortung der Frage unterstützte uns PD Dr. Thomas Ellrott vom Institut für Ernährungspsychologie der Universitätsmedizin Göttingen. 

Redaktion WiD: jg

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