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#Einhorntalks No 4 mit Johannes Hinrich von Borstel

23. Mai 2018

  • Erstellt von Thuy Anh Nguyen
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  • Einhorntalks
Interview mit Johannes Hinrich von Borstel über Wissenschaftskommunikation. Foto: WiD Array

Interview mit Johannes Hinrich von Borstel über Wissenschaftskommunikation. Foto: WiD

Unser Gast beim vierten Einhorntalk (Link zum Video) ist Johannes Hinrich von Borstel. Er studiert Medizin, ist Science Slammer und Autor des Sachbuch-Bestsellers „Herzrasen kann man nicht mähen“. Wir haben mit Johannes über Sexyness in der Wissenschaftskommunikation gesprochen, über die Grenze zwischen Populär und Klamauk, über die Angst als populärwissenschaftlicher Autor in der Wissenschaft nicht ernst genommen zu werden – und wie er diese überwand.

In der Reihe #einhorntalks sprechen wir mit allerlei Menschen aus der weiten Welt der Wissenschaftskommunikation über magische Momente, den Alltag und was die Zukunft so bringt. Hier einige Highlights aus dem Interview. Wir sprachen …

... über Bühnentalente in der Wissenschaftskommunikation

Johannes: Die Haupteigenschaft von Science Slammer ist es, komplizierte Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm raus zu holen und auf einer Bühne für ein breites Publikum zu präsentieren, und das auch noch unter Zeitdruck. Das heißt, man ist gezwungen, sich verständlich und auch knapp auszudrücken.

Katja: Hört sich nach einem Multitalent an, was man haben muss, um erfolgreich auf der Bühne zu sein.

Johannes: In der Regel muss man einfach nur gerne Geschichten erzählen. (…) Es ist etwas, das kann jeder lernen. Ein Talent, oder eine Eigenschaft, die man mitbringen muss, ist, dass man Spaß hat, vor Leuten aufzutreten. Oder wenigstens Interesse daran hat, diesen Spaß zu entwickeln und die erste Aufregung zu ignorieren. Ich bin immer noch aufgeregt, wenn ich vor Leuten auf der Bühne stehe. Aber man gewöhnt sich daran und man lernt damit umzugehen.

Katja: Bist du jetzt aufgeregt?

Johannes: Es geht. Ich bin eher konzentriert, nicht in die Kamera zu gucken.

Katja: Ja… merk ich.

... über den magischen Moment in der Wissenschaftskommunikation

Katja: Erinnerst du dich an einen bezaubernden oder vielleicht auch magischen Moment in deiner Wissenschaftskommunikation?

Johannes: Ich hab in meinem Buch ein Reanimationskapitel integriert, in dem ich erkläre, ganz einfach und simpel, wie man jemanden reanimiert. Zwei Monate, nachdem mein Buch auf den Markt gekommen ist, habe ich eine E-Mail bekommen von einer Frau aus Süddeutschland, die das Buch gelesen hatte, weil ihr Ehemann herzkrank war. Zwei Tage später, nachdem sie durch war mit dem Buch, hatte der Mann einen Herzinfarkt, einen Herzstillstand, und sie hat ihn erfolgreich reanimiert. Und hat mir daraufhin eine Nachricht geschrieben. Wir stehen noch in Kontakt, den beiden geht es gut.

Und dass sowas möglich ist mit diesem Buch, das habe ich nie für möglich gehalten. Das hat mich unheimlich stolz gemacht in dem Moment. Und alle Zweifel um dieses Buchprojekt… Man zweifelt: Ja macht man sich damit unmöglich in der Welt der Wissenschaft, wenn man ein populärwissenschaftliches Buch herausbringt? Und alle diese Zweifel waren in diesem Moment wie weggeblasen. Da dachte ich mir: mission accomplished. Besser kann es einfach nicht werden. Da war ich so happy, das war der wichtigste Moment, das erste Leben, das durch ein Buch gerettet worden ist. Damit habe ich nie gerechnet, dass das klappt.

... über das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation

Katja: Hm… du sprachst gerade, dass es gar nicht so einfach ist, sich voll in die Welt der Kommunikation einzulassen und dann in der Forschung noch ernst genommen zu werden. Wo kommt diese Angst her oder hast du da mal was erlebt?

Johannes: Diese Angst habe ich eigentlich nicht mehr. Ich habe damit meinen Frieden gemacht.

Katja: Wie hast du das gemacht?

Johannes: Durch Ignoranz. Es ist schon so, dass in der Wissenschaftswelt die Reputation unheimlich wichtig ist. Gerade in der Medizin, wo es auch in der medizinischen Forschung große Konkurrenz gibt und jeder um seinen Ruf bangt. Da sind viele Wissenschaftler damit zufrieden, wenn ihre Forschung im Peer-Review-Journal veröffentlicht wird. Und ich dachte mir halt: Okay, eigentlich wäre Forschung, die größtenteils von der Bevölkerung finanziert wird, auch aus Steuergeldern…Ich dachte, Forschung ist erst dann vorbei, wenn für eine große Masse an Menschen, wenigstens für eine kritische Masse verständlich aufbereitet und veröffentlicht worden ist. Und als ich zu diesem Entschluss gekommen bin, hatte ich keine Angst mehr, mich vor anderen zu blamieren, weil ich für mich selber eine Rechtfertigung gefunden hatte, es so zu machen.

... über Sexyness in der Wissenschaftskommunikation

Johannes: Einen Begriff, den ich eigentlich nicht mag, aber ich benutze ihn jetzt, die „Sexyness“ der Wissenschaft, die ist in den USA deutlich höher. Vorträge, die da gehalten werden, haben in der Regel unterhaltsamere Elemente.

Katja: À la Tedtalk?

Johannes: Genau. Da ist man ein ganzes Stück weiter, wenn es um die populäre Vermittlung von wichtigen Inhalten geht, als hier in Deutschland. Hier hat man noch ein bisschen Angst davor. Das ist zumindest mein Eindruck, ich will es nicht zu sehr verallgemeinern. (...)

... über die Grenze zwischen Populär und Klamauk in der Wissenschaftskommunikation

Johannes: Die große Gefahr ist, dass das Ganze kippt und am Ende so ein Populärklamauk dabei rauskommt, der überhaupt gar keinen Inhalt hat und wo es nur um die reine Unterhaltung geht. Das ist zwar schön, aber sollte nicht Ziel der Wissenschaftskommunikation sein. (…) Da kann man nur gucken, wie es sich entwickelt. Und versuchen, dagegen zu halten, sodass populäre Wissenschaft nach wie vor seriös bleibt.

Katja: (…) Wo verläuft diese Linie zwischen Populär und Klamauk?

Johannes: (…) Ich denke da zum Beispiel letztes Jahr an die Veröffentlichung des Films Vaxxed von Andrew Wakefield, dem Herrn, der Autismus mit Masern in Verbindung gebracht haben will. Und dann hat sich am Ende herausgestellt, dass seine Studie leider nicht valide ist, dass Daten gefälscht worden sind. Unglücklicherweise ist durch diese Studie die Zahl der Masernimpfung massiv gesunken. Ich glaube, von über 90 Prozent auf 85 Prozent in Großbritannien. Und damit hat man einen Schwellenwert erreicht, wo der Herdenschutz nicht mehr gegeben ist. Und das ist gefährlich, wenn ein ausgebildeter Mediziner, der er war oder ist, er hat seine Approbation verloren dadurch... Wenn er plötzlich sich solcher Theorien bedient, die jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehren.

Katja: Die Verantwortung ist nicht ohne, die man hat als Wissenschaftler, der kommuniziert.

Johannes: Auf jeden Fall. Man muss sich jeden Tag aufs Neue fragen, ist das in Ordnung, was ich so mache. Man dreht sich immer. Es ist nicht symmetrisch, einfach, sondern kompliziert.

 

Zum Einhorntalk mit Johannes Hinrich von Borstel in voller Länge.


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