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Her mit der Knete! – Über Kreativität, Mut & Perspektivwechsel

13. Dezember 2019

  • Erstellt von Johanna Barnbeck
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Foto: Johanna Barnbeck

Heute rolle ich das Feld mal von hinten auf und beginne mit dem Erfahrungsaustausch zum im letzten Jahr spontan entstandenen Projekt „Wechsel/Wirkung in Wuppertal“ zwischen Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, und Berthold Schneider, Intendant der Wuppertaler Oper. Die beiden haben für 4 Wochen ihre Jobs getauscht.

Der dort entstandene Perspektivwechsel ist ja ganz nach meinem Geschmack. Ein Lieblingsaspekt meiner Arbeit besteht für mich darin, Kontexte und Perspektiven zu erleben und zu verstehen, zu analysieren und daraus neue – auch künstlerische - Formate zu entwickeln. Schneidewind und Schneider interessieren sich dafür Veränderungsprozesse zu gestalten. Um dies zu können, brauchen sie erst einmal ein Bild ihrer eigenen Perspektive, eine Reflektion, die durch Erleben des Kontextes und Austausch entsteht. Dieses Bild entsteht eindrücklicher, wenn wir uns wortwörtlich in die Situation der anderen Person begeben – oder erlauben auch mit den Augen anderer zu schauen.

Am Morgen zuvor habe ich in der eigenen Session zu Kreativität und Forschung, was z.B. passiert, wenn man im Rahmen eines künstlerischen Forschungsprojekts die Perspektive von Museumsbesuchern am Rijksmuseum einnimmt.

 

Zur Session eingeladen haben mich Alina Loth von der University of Cambridge und Elisabeth Jurack vom ImmunoSensation Exzellenzcluser in Bonn. Gemeinsam haben wir unter dem sensationellen Titel “We share our office with a giant squid – this and other stories when creativity meets research” verschiedene Formen von Zusammenarbeit und die nötigen Strukturen dafür besprochen. Die interessierten Fragen aus dem Publikum brachten eine spannende Diskussion, in die auch die Unterschiede zwischen UK und Deutschland einfließen konnten.

Jurack und Loth hatten aber auch praktische, kreative Übungen im Gepäck, die für belebtes Publikum sorgten und deren Ergebnisse ich euch hier nicht vorenthalten möchte: In drei Minuten kneteten alle im Saal ihre Forschungskommunikationsthemen und ließen sie anschließend von ihren Nachbar*innen erraten.

Hier die Themen der drei Referentinnen. Na, wer weiß es? Foto: Johanna Barnbeck
Hier die Themen der drei Referentinnen. Na, wer weiß es? Foto: Johanna Barnbeck

So inspiriert begann also mein zweiter Forumstag, der ja auch liebevoll der lange Mittwoch der Wissenschaftskommunikation genannt wird. Der Tag war prall gefüllt mit interaktiven Formaten, die manchmal auch wirklich interaktiv waren, mit einer Fisch-Bowl, die sich als Petrischale verkleidete (kein Witz! Viren-Modelle aus Würstchen und Spaghetti sowie eine frustrierte Öffentlichkeit konnte man dort auch bestaunen) und vielen Beispielen, in denen Künstler*innen sich von Forschung und wissenschaftlichen Methoden haben inspirieren lassen, um künstlerische Werke zu gestalten. Wir erinnern uns an die ersten beiden der drei Definitionen für Kunstprodukte aus, mit und über Forschung aus meinem gestrigen Beitrag. Diese sagten ja noch nichts darüber aus, wer diese Kunst gestaltet hat. Spätestens heute kam jedoch an verschiedenen Stellen immer wieder die Frage auf, wie die Zusammenarbeit denn genau aussieht und wer daran in welcher Weise beteiligt ist. Wer entscheidet am Ende, was gezeigt wird und was ist der Rahmen, in dem etwas gezeigt wird? Geht es um multidisziplinäre Zusammenarbeit oder um interdisziplinäre Forschung zwischen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen – und wo ist hier beim Forum eigentlich die Rolle der Wissenschaftskommunikation zu verorten?

Im Workshop „ArtScience 101 – So organisiere ich eine Kunst-Wissenschafts-Kollaboration“, moderiert von Christian Rauch von der STATE Galerie und Katja Naie von der Schering Stiftung, spielen wir ein mögliches Szenario durch. Der reale Fall eines Instituts, welches eine Künstlerresidenz vergeben hat, zeigt, woran man bei einer klassischen Künstlerresidenz mit Ausstellung und Vernissage so alles denken muss – und gibt auch eine Idee, wieviel Geld man als Institut in die Hand nehmen muss. An Gruppentischen erarbeiten wir das Projektmanagement, Vertragliches, die Kuration und Formate, damit das Projekt zu einem Erfolg wird. Die große Unbekannte und das Unplanbare bleibt die Kunst selbst. Wer weiß, was sich die Künstlerin überlegt?

Künstlerin und Kuratorin Agnes Meyer-Brandis rät in der Session die Erwartungen der Beteiligten gut zu managen und „Mut zum Unwägbaren“ zu haben, denn nur so kann die Kunst frei bleiben. Und so kommt immer wieder auch das Thema der Schnittstellenkompetenz auf: Es braucht für künstlerische Kooperationsprojekte auch Personen, die zwischen den verschiedenen Beteiligten und deren Erwartungen vermitteln können.

Anders ist das natürlich, wenn gemeinsam interdisziplinär geforscht werden soll. Dann ist es Teil des Prozesses der Forscher*innen und Künstler*innen, sich zu nähern, verständigen und methodologisch produktiv zu werden.

Nach spannenden Pausengesprächen und Diskussionen über Kunst, Kreativität, dem Verhältnis von künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung gegenüber Wissenschaftskommunikation nehme ich wahr, dass Viele am Ende des Forums genau dort angelangt sind: Bei einer klareren Unterscheidung zwischen der Anwendung von Kreativitätstechniken im Forschungskontext, der freien Kunstproduktion über und durch Forschungsmethoden und der interdisziplinären künstlerisch-wissenschaftlichen Forschung. Bei einem differenzierteren Verständnis für unterschiedliche Perspektiven und welche Formen der Zusammenarbeit es gibt. Und damit einhergehend bei der Erkenntnis, dass Wissenschaftskommunikation noch viele neue Wege in Richtung Kunst einschlagen kann, um in Dialog über Forschung zu kommen.

Ich hoffe, dass meine Berichte vom #fwk19 zur genaueren Einordnung des Themenschwerpunkts beitragen konnten und freue mich darauf, die Gespräche hier oder andernorts weiter zu führen.

Modelle aus Würstchen und Spaghetti gebaut vom Konstanzer Chemiker Thomas Böttcher. Foto: Johann Barnbeck
Modelle aus Würstchen und Spaghetti gebaut vom Konstanzer Chemiker Thomas Böttcher. Foto: Johanna Barnbeck
Temporäres Tattoo als Messinstrument im Citizen Science Projekt Mind the Fungi. Foto: Johanna Barnbeck
Für Kunst und Wissenschaft - Aus dem Workshop ArtScience 101. Foto: Johanna Barnbeck
Unser Model zur Bewusstseinsauftrennung. Eine Exkursion, die auf dem #fwk54 angeboten werden wird. Gif: Johanna Barnbeck
Unser Model zur Bewusstseinsauftrennung. Eine Exkursion, die auf dem #fwk54 angeboten werden wird. Gif: Johanna Barnbeck

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