Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Blog“ Qrss

(K)ein Hoch auf den Elfenbeinturm!?

10. November 2018

  • Erstellt von Jan Steffen
  • 0
  • z Meinungen
Array

Bloggerlohn... Foto: Jan Steffen

Schon vorbei. Drei Tage #fwk18 sind wie im Flug vergangenen. Ich sitze wieder in einem Zug und stärke mich mit meinem Bloggerlohn (siehe Bild oben). Als WiD vor etwas mehr als einer Woche gefragt hat, ob ich die Aufgabe als Gastblogger übernehmen möchte, war mein erster Gedanke: „Was soll ich denn da schreiben?“ Jetzt habe ich das Problem, dass mir zu viele Eindrücke und Themen im Kopf herumschwirren, die ich gern noch verarbeiten würde. Doch spätestens am Montag hat mich mein Pressestellen-Alltag zurück. Dann werde ich keine Zeit mehr dafür haben.

Deshalb möchte ich zum Abschluss wenigstens noch zwei Themen aufgreifen. Das erste ist die Session „Geschichte goes public“ vom Donnerstagabend. Ehrlich gesagt waren meine Erwartungen daran nicht besonders hoch. Ich hatte sie ausgewählt, weil sie bei der Anmeldung zum Forum noch frei war. Aus nostalgischen Gründen habe ich mich auch darauf gefreut.

Als die Session um 17 Uhr startete, war der Beitrag zur Richard-III.-Keynote am Donnerstagmorgen so gut wie fertig. Mein Plan war, die zweite Geschichts-Veranstaltung am selben Tag noch mit zwei, drei Sätzen zu erwähnen und so den Text als Tag-der-Geschichte-Post zu beenden. Schon nach ein paar Minuten im Hörsaal, war mir aber klar: Zwei, drei Sätze reichen nicht. Also habe ich Turi King und King Richard III. für sich stehen lassen. Die Eindrücke von der abendlichen Session mussten erst einmal sacken.

Wenigstens bis heute.

Also: Auf dem Podium saßen Charlotte Jahnz von der Max Weber Stiftung als Moderatorin, der Historiker Prof. Dr. Joachim Scholtyseck von der Uni Bonn, der Historiker Dr. Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut Moskau sowie die Journalistin Simone Stern von der ZDF Digital Medienproduktion GmbH / ZDF info. Zu erwarten war, dass es Meinungsverschiedenheiten über die Darstellung von Geschichte in den Medien geben würde. Ganz ehrlich: Speziell ZDF-Dokus zu historischen Themen sind mir auch oft zu pathetisch, zu dramatisierend, zu vorhersehbar emotionalisierend. Soundtracks wie bei „Fluch der Karibik“, schlecht nachgestellte Szenen und alle drei Minuten die mit verschwörerischer Stimme gestellte Frage: „Doch wie war es wirklich?“ Ich bin skeptisch, ob das wirklich historisches Wissen vermittelt. So schlug ich mich innerlich in vorauseilendem Gehorsam auf die Seite der Historiker.

Doch dann vertrat Joachim Scholtyseck – vielleicht auch um zu provozieren? –Thesen, bei denen ich meinen Ohren nicht traute. Historiker sollten im geschützten Raum der Universität in aller Ruhe forschen. Sie sollten aktuelle Debatten nicht kommentieren. Sich nicht ins Tagesgeschehen einmischen. Sie würden ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllen und ausreichend kommunizieren, wenn sie Aufsätze und Bücher veröffentlichen. Aber bitte auf Papier. Online-Medien seien sprachlich und formell nicht wissenschaftlich. „Historiker sind keine Blogger“, war einer der Sätze, die diese Ansichten zusammenfasste. Ein Hoch auf den Elfenbeinturm.

Widerspruch. Natürlich muss Wissenschaft frei sein. Der oft langwierige Prozess der Forschung darf sich nicht von journalistischen Zeitplanungen und öffentlichen Erregungsphasen hetzen lassen. Aber was spricht dagegen, die Ergebnisse abgeschlossener Projekte und bestehende Erkenntnisse an die Öffentlichkeit zu kommunizieren? In den Naturwissenschaften vergehen auch mehrere Jahre zwischen einem Projektstart und belastbaren Ergebnissen. Trotzdem melden sich Klimaforscher und Klimaforscherinnen zu Wort und informieren die Öffentlichkeit über diese Ergebnisse, weil sie wichtig für die Zukunftsplanung sind. Eine weitere Analogie aus der Meeres- und Klimaforschung: Der Blick in die Vergangenheit gibt wichtige Hinweise darauf, wie sich das System Erde in Zukunft entwickeln könnte. Wenn es um die Vergangenheit menschlicher Gesellschaften oder menschlichen Verhaltens geht, sind Historikerinnen und Historiker die Experten. Sie haben das Vorwissen und die Methoden, um mit immer neuen Fragestellungen und in beständigen Diskussionen zu belastbaren Erkenntnissen zu gelangen. Diese Erkenntnisse aus der Vergangenheit können wie in der Erdsystemforschung helfen, aktuelle Entwicklungen einzuordnen und zukünftige abzuschätzen. Deshalb ist es wichtig, dass sie – gern auch nach Jahren unbehelligter Forschung – an die Öffentlichkeit gelangen.

Scholtysecks Ablehnung digitaler Medien verkennt dabei völlig ein historisches Grundprinzip: das der Veränderung. Die Medien, die er so vehement als einzig wissenschaftlich nutzbar und Kultur-bestimmend verteidigt, waren auch irgendwann neu. Nicht umsonst spricht man im Zusammenhang mit der Erfindung des Buchdrucks von einer Medienrevolution. Wissenschaftliches Arbeiten hängt von der Einhaltung bestimmter Regeln ab, nicht vom Medium der Veröffentlichung.

Man muss Joachim Scholtyseck bewundern, dass er in einer offensichtlich ablehnenden Umgebung seine Thesen standhaft verteidigte. Das zeichnet den streitbaren, unabhängigen Wissenschaftler aus. Hin und wieder schien es auch, als ob er eigentlich etwas ganz anderes meinte: Dass nicht jeder Historiker oder jede Historikerin online und über Social-Media kommunizieren müsse, dass nicht jeder für Wissenschaftskommunikation außerhalb des universitären Umfelds begabt sei, dass wissenschaftliche Exzellenz nicht vom Führen eines Blogs abhänge. Da stimme ich uneingeschränkt zu. Doch leider machte er in der Diskussion immer wieder den Fehler zu verallgemeinern. „Historiker sind keine Blogger“ statt „Ich bin kein Blogger“. So erweckte er den Eindruck, dass die gesamte Geschichtswissenschaft die Vergangenheit nicht nur erforscht, sondern Teil von ihr ist. Schade, denn dieser Eindruck schadet ihr. Zum Glück kenne ich viele Historikerinnen und Historiker, die anders denken.

Bei der Preisverleihung des Fastforward Science Video-Wettbewerbs. Luisa Linkersdörfer (3. v. r.) überzeugte die Jury mit ihrer Begeisterung für skurile Kleinstlebewesen in der Ostsee. Foto: Jan Steffen
Bei der Preisverleihung des Fastforward Science Video-Wettbewerbs. Luisa Linkersdörfer (3. v. r.) überzeugte die Jury mit ihrer Begeisterung für skurrile Kleinstlebewesen in der Ostsee. Foto: Jan Steffen

Zum Abschluss aber noch ein erfreuliches Thema, das ich nicht auslassen darf. Nach der Geschichts-Session wurden am Donnerstagabend die Preise im Wissenschaftsvideo-Wettbewerb Fastforward Science #ffs18 verliehen. Die Gewinnerinnen und Gewinner findet ihr auf der Webseite www.fastforwardscience.de. Herzlichen Glückwunsch an alle! Tolle Videos. Besonders gefreut hat mich der erste Preis in der Kategorie „Super Fast“ für Luise Linkersdörfer. Die Schülerin ist Mitglied im Freitagsforscherclub des GEOMAR. Dort untersucht sie welche fantastischen, aber mit dem bloßen Auge kaum zu erkennenden Organismen in der Ostsee leben. Genau das zeigt sie in ihrem preisgekrönten Video. Dabei bringt sie ihre eigene Begeisterung für das Thema so gut rüber, dass sie nicht nur die #ffs18-Jury überzeugt hat, sondern am Donnerstag auch alle Menschen im Saal für sich gewonnen hat (zumindest alle, mit denen ich danach gesprochen habe). Glückwunsch, Luisa! Du zeigst wunderbar, wie Forschergeist und die Vermittlung von Wissen Hand in Hand gehen können. 

Einen besseren Abschluss für meinen Gastblog kann ich mir kaum vorstellen. Danke an das Team von WiD für die Organisation des Forums und die Gelegenheit, mich hier textlich austoben zu können. Bis zum nächsten Mal,

Jan Steffen


0 Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben