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Mehr als nur Klicks – wie sich digitale Formate evaluieren lassen

20. Juni 2022

  • Erstellt von Inga Siek
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  • A Wissenschaftskommunikation
Künstler vom Ensemble Salon Fähig bei der Show Nacht der Geschichten, Glitzern und Denken, Foto: Hwa Ja Götz MfN Array

Die Shows bei Glitzern und Denken waren als Präsenzveranstaltungen geplant, wie die „Test-Show“ Nacht der Geschichten am 24. Januar 2020. Bedingt durch die Pandemie fanden einige Shows als Onlineveranstaltungen statt. Foto: Hwa Ja Götz MfN

Das Projekt Glitzern & Denken – das Wissenschaftsvarieté war als Präsenz-Format geplant und wurde im Zuge der Coronapandemie auf ein Online- bzw. Hybrid-Format umgestellt. Wie sich das auf die Evaluation auswirkte – und welche allgemeinen Learnings sich daraus für die Evaluation von Online-Formaten ergaben, erklärt Imke Hedder, Projektmanagerin im Bereich Qualität und Transfer bei Wissenschaft im Dialog, im Interview. 

Was ist Glitzern & Denken und was sind die Ziele?

Imke: Glitzern & Denken ist ein Wissenschaftsvarieté, bei dem sich Künstler*innen und Wissenschaftler*innen die Bühne teilen und gemeinsam eine Show zu einem naturkundlichen Thema gestalten. Das Format wurde im Rahmen des Experimentierfeldes für Partizipation und Offene Wissenschaft des Museums für Naturkunde in Berlin entwickelt. Für die Konzeption der Shows arbeitet das Museum mit dem Ensemble „Salon Fähig“ zusammen. Wir bei Wissenschaft im Dialog (WiD) unterstützen die Netzwerkkommunikation und sind für die Evaluation der Veranstaltungen zuständig. 

Was wolltet ihr mit der Evaluation herausfinden?

Imke: Zum einen wollten wir herausfinden, ob wir mit dem Format eines Wissenschaftsvarietés neue Zielgruppen erreichen; zum Beispiel Menschen, die nicht unbedingt ins Museum für Naturkunde gehen würden, sich aber für künstlerische Unterhaltung interessieren. Zum anderen wollten wir herausfinden, welche Erwartungen das Format erweckt und wie es ankommt. Nicht zuletzt hat uns interessiert, ob sich die Show auf das Bild der Zuschauer*innen von Wissenschaft und von Wissenschaftler*innen auswirken kann – gerade, wenn diese in starkem Kontrast stehen zu Kunst und Künstler*innen.

Und dann kam der Lockdown …

Imke: Ja, wir hatten uns vorgestellt, dass wir durch Beobachtungen der Besucher*innen vor Ort direkte Reaktionen erheben können, einen Fragebogen austeilen sowie Vorher- und Nachher-Interviews mit ausgewählten Teilnehmenden führen. Die erste Show „Schleimig!“ fand im November 2020 statt, also im totalen Lockdown. Sie wurde auf YouTube und über Facebook-Kanäle übertragen. Unsere ursprünglichen Pläne waren also nicht umsetzbar, weil wir keinen direkten Kontakt zu den Zuschauer*innen hatten, um ihre Reaktion zu sehen oder sie für Befragungen zu gewinnen. Online-Formate, gerade YouTube-Sendungen, erinnern schnell an „passives Fernsehen“ und viele nutzen nicht die Interaktionsfunktionen. Ehe man sich versieht, schließen die Zuschauer*innen ihr Browserfenster, sind nicht mehr erreichbar und bleiben „anonyme Klicks“. Aus YouTube Analytics kann man viel über Reichweiten lernen, aber das liefert wenig Hintergrund zu den Menschen und ihrem Erlebnis. Unsere Datenbasis, um die spannenden Evaluationsfragen zu beantworten, war also nach der ersten Show etwas dünn.

Wie seid ihr trotzdem zu einer aussagekräftigen Evaluation des Projektes gekommen?

Imke: Glücklicherweise hatten wir noch die YouTube-Aufnahmen der ersten Show. Wir haben einen Aufruf für Show-Tester*innen gestartet, die die erste Show noch nicht gesehen hatten. So konnten wir Vorher- und Nachher-Interviews via Zoom führen. Um herauszufinden, ob sich der Blick auf die Wissenschaftler*innen durch die Show geändert hat, haben wir unter anderem Assoziationen zu den Begriffen Wissenschaft, Kunst, Wissenschaftler*in und Künstler*in erhoben und Vorstellungen vor und nach der Show verglichen. Dieses Vorgehen hat sich letztlich als sehr ertragreich erwiesen. Deshalb haben wir auch zur Evaluation der nächsten Show „Beinig!“ Vorher- und Nachher-Interviews eingesetzt.

Was waren eure Learnings aus der Evaluation?

Imke: Für mich war das große Learning, dass wenig schon viel helfen kann. Allein aus fünfzehnminütigen Gesprächen mit Zuschauenden lernt man die eigene Zielgruppe und ihre Blickwinkel auf das Programm auf ganz andere Weise kennen. Zur ersten Show haben wir mit nur sechs Show-Tester*innen gesprochen und wirklich vielfältiges Feedback bekommen – von Tipps zur „Bildschirmoptimierung“ bis hin zu Ideen für Gesprächsthemen in der Show. Rückblickend auf die gesamte Projektevaluation waren für mich die Assoziationen und die teilweise beiläufigen Kommentare zu Wissenschaftler*innen am spannendsten. Sie deuten darauf hin, dass nicht nur die eigenen Kommunikationsfähigkeiten der Wissenschaftler*innen einen Eindruck beim Publikum hinterlassen, sondern auch das Zusammenspiel mit dem*der Moderator*in und deren Rahmung durch die Moderation auf der Bühne. Diese Eindrücke finden sich auch darin wieder, wie das Publikum die Wissenschaftler*innen allgemein einschätzt. Für uns, die Wisskomm-Bühnenformate planen, heißt das, wir sollten uns sehr bewusst damit auseinandersetzen, wie wir Gäste anmoderieren, wie aktiv sie auf der Bühne sind und welche Eindrücke von Wissenschaftler*innen damit transportiert werden. Im Spätsommer, wenn die letzten Auswertungen abgeschlossen sind, werden wir ausführlicher über die Ergebnisse zur Wirkung solcher Formate berichten.

Was sind deine drei Tipps für Online-Evaluationen?

Imke: Es ist wichtig, sich frühzeitig Gedanken darüber zu machen, wie man die Teilnehmer*innen für eine Evaluation erreicht. Wenn man im Vorfeld – etwa bei der Anmeldung – schon Kontakt-Daten wie die E-Mail-Adressen hat, schadet es nicht, schonmal die Einwilligung einzuholen, sie auch zur Kontaktaufnahme für mögliche Evaluationen nutzen zu dürfen.
Wir haben auch gelernt, dass Online-Fragebogen häufig nach dem Event vergessen werden, aber vor dem Event gute Fallzahlen erreicht werden können. Wer also an Zielgruppeninfos und Teilnahme-Motivation interessiert ist, kann den Fragebogen schon zur Verfügung stellen, während die Zuschauer*innen auf den Start des Online-Angebots warten.
Ansonsten kann ich nur dazu ermutigen, auch fernab von Fragebogen zu denken und zu experimentieren. Wir sind oft sehr darauf bedacht, dass das Programm im Vordergrund steht und die Evaluation „unsichtbar“ bleibt. Aber man kann Evaluationen auch spielerisch integrieren, zum Beispiel Mentimeter-Fragen oder Zoom-Abstimmungen zu einem inhaltlichen Thema vor und nach der Veranstaltung stellen. Bei einer Online-Diskussion kann auch eine Online-Beobachtung funktionieren. Die methodischen Möglichkeiten sind oft vielfältiger, als man denkt.

Glitzern & Denken ist ein gemeinsames Projekt vom Museum für Naturkunde Berlin, dem Ensemble Salon Fähig und Wissenschaft im Dialog. Es wird von der LOTTO-Stiftung Berlin gefördert.


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