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Nachgefragt – bei Marie Heidenreich

12. Juli 2019

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Foto: Florian Börgel

In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In Ausgabe Dreiundvierzig sprechen wir mit Marie Heidenreich. Sie arbeitet als Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

Eine gute Kommunikatorin braucht…?

Optimismus, Geduld und Begeisterung

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Ich habe Biologie studiert und die Inhalte oft erst dann verstanden, wenn die Profs sie mir für unser Campusradio „bitte einmal so, dass Sie jeder Hörer versteht“ erklärt haben. Danach hatte ich Lust, weiterzumachen.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Interviews, Schreiben, Freigabe

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikatorin?

Eine Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE von Neukaledonien nach Neuseeland.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Kein Desaster, aber ziemlich unangenehm: Meine Berichte über Klimaforschung oder Ozeanversauerung werden in Sozialen Medien regelmäßig als Hirngespinste von Klimapanikern abgetan.

Oder: Als Praktikantin bei NDR Info habe ich mal ziemlich viel Zeit in einen Beitrag über eine Studie zu Geschmacksvorlieben gesteckt, bei der ich hinterher den Eindruck hatte, dass die Testpersonen leichtfertig in einen MRT gesteckt wurden – ohne wirklichen Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft. Das dem Interviewpartner zu erklären war nicht schön.

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Mein Bewegungsdrang kollidiert manchmal mit meinem Schreibtischjob und aktuell kann ein im Bauch boxendes Baby ganz schön vom Recherchieren ablenken. :)

Ansonsten ertappe ich mich bei Interviews immer wieder dabei, dass ich selbst etwas sage und dadurch die Aufnahme zerstöre.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Mit dem britischen Polarforscher Ernest Shackleton, der im August 1914 mit dem Dreimaster Endurance von England gen Antarktis aufbrach. Sein Ziel war es, die Antarktis als Erster zu durchqueren. Doch schon im Weddellmeer, einem Randmeer östlich der Antarktischen Halbinsel, bleibt die Endurance im Packeis stecken. Es beginnt ein erbitterter Kampf ums Überleben. Zunächst treibt das Schiff und mit ihm die 28 Entdecker mit der Eisdrift Richtung Westen auf die Antarktische Halbinsel zu. Angetrieben wird die Eisdrift vom Antarktischen Zirkumpolarstrom, eine mächtige Meeresströmung, die den Südkontinent gegen den Uhrzeigersinn umkreist.

Doch im November 1915 hält die Endurance dem Druck der Eismassen nicht länger stand und versinkt. Fortan treiben Shackleton und seine Mitstreiter auf einer Eisscholle mit der Drift weiter. Als die Scholle zu brüchig wird, steigen sie auf Beiboote um. Die Eisdrift trägt sie knapp 250 Kilometer an der Spitze der Antarktischen Halbinsel vorbei. Die Ozeanströmungen verhindern, dass die Männer die Insel erreichen, weshalb sie schließlich Kurs auf die weiter nördlich gelegene Insel Elephant Island nehmen – mit Erfolg.

Die Polarforscherin Doris Abele vom Alfred-Wegener-Institut hat mir neulich erzählt, dass sie auf dem Weg in die Antarktis oft an den Entdecker denkt, der hier vor 100 Jahren vorbeikam: „Shackleton war ein toller Expeditionsleiter, weil er seine Leute alle heil wieder nach Hause gebracht hat. Das war eigentlich unmöglich aus heutiger Perspektive. Dass er den Südpol nicht erreicht hat, verzeiht ihm jeder.“

Ihre Lieblingswissenschaft?

Geologie

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Fracking

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Ein Live Escape Game zu Meeresforschung auf einem ausrangierten Fischkutter oder Forschungsschiff

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Im Wissenschaftsjournalismus und in der Landwirtschaft

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

einerseits noch interaktiver: An jeder Forschungseinrichtung wird es Mitmachstationen und Labore geben, wo sich jede und jeder selbst als Forschende ausprobieren können. (Bis dahin wird sich übrigens auch ein schönerer Gender-neutraler Begriff für „Forschende“ etabliert haben.) Andererseits wird der Wissenschaftsjournalismus weiterhin großartige Print-, Audio- und Videoreportagen produzieren, die uns in unbekannte Welten entführen und für diese faszinieren.

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Die Gewissheit, dass der Klimawandel menschengemacht ist und wir deshalb noch eine Chance haben, die Welt, wie wir sie kennen, zu retten. Ich bin wahnsinnig gespannt auf die Möglichkeiten der Genommanipulation, die sich uns durch CRISPR/Cas in den nächsten Jahren bieten. In der jüngsten Wissenschaftsgeschichte hat mich sehr beeindruckt, dass die Raumsonde Philae tatsächlich heil auf dem Kometen gelandet ist.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Ich dachte, dass alle Waren durch Tunnel zu uns transportiert werden und es deshalb keine LKW mehr auf den Straßen geben muss.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Indem ich mit meiner Hündin Lolle am Ostseestrand herumtolle.

Kollegen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

Multimedialem Scrollytelling und Twitterbots in der Wissenschaftskommunikation

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie ihm/ihr gerne stellen?

An Sibylle Grunze mit der Frage: „Was ist das Nervigste, was dir ein Auftraggeber, für den du ein Wissenschaftsvideo produziert hast, mal gesagt hat?“

 

Marie Heidenreich

Marie Heidenreich arbeitet als Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich. Hier ist sie für die Wissenschaftskommunikation der Meeres- und Geoforschung des Bundesforschungsministeriums verantwortlich. Zuvor arbeitete sie im Hörfunk und hat Biowissenschaften und Kulturanthropologie in Münster und Tours studiert. Vor ca. einem Jahr hat sie den Twitter-Bot @ozeanforscher programmiert, der Neuigkeiten aus der Meeresforschung postet. Außerdem hat sie eine Multimedia-Reportage über die Rettung von vietnamesischen „Boat People“ aus Seenot mit dem Forschungsschiff SONNE produziert. Sie twittert unter @MarieAndTheSea.


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