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Nachgefragt bei Sibylle Anderl

27. April 2023

  • Erstellt von Alena Weil
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  • v Nachgefragt
Eine Frau mit dunkelblonden Haaren und in einem blauen Blazer, die auf einem Stuhl sitzend von der Seite fotografiert wurde. Array

In der Wissenschaftskommunikation könne sie ihr breites Interessenspektrum zwischen Physik und Philosophie am besten ausleben, sagt Sibylle Anderl. Als Journalistin für die FAZ schreibt sie unter anderem über ferne Planeten, die Suche nach außerirdischem Leben und die Schönheit des Kosmos. Foto: Katrin Binner

In der Reihe "Nachgefragt" stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In der dreiundachtzigsten Ausgabe sprechen wir mit Dr. Sibylle Anderl. Sibylle Anderl ist promovierte Astrophysikerin, Philosophin und Wissenschaftsjournalistin. Seit 2021 ist sie Co-Leiterin des Wissenschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

Ein*e gute*r Kommunikator*in braucht…?

Erstens ein so gutes Verständnis vom Kommunikationsgegenstand, dass sie fast beliebig vereinfachen kann ohne zu verfälschen. Zweitens eine solide Uneitelkeit, um nicht der Versuchung zu erliegen, sich hinter Unverständlichkeiten zu verstecken. Und drittens genügend Selbstkritik und Offenheit, um sich nicht von eigenen Meinungen und Biases in die Irre führen zu lassen.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten? 

Das Unverständnis meines persönlichen Umfeldes für meine Forschung hat mich schon während meiner Doktorarbeit zum Schreiben als freie Mitarbeiterin der FAZ motiviert. Der vollständige professionelle Schritt in die Kommunikation geschah dann vor allem deshalb, weil ich so mein breites Interessenspektrum zwischen Physik und Philosophie am besten ausleben kann, weil ich als Nachwuchswissenschaftlerin vom akademischen System frustriert war und weil mir der Wissenschaftsjournalismus letztendlich gesellschaftlich relevanter erschien als die Erforschung des interstellaren Mediums.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Lesen, Schreiben, Reden.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator*in?

Ich freue mich immer besonders, wenn es gelingt, Menschen für die Astrophysik und die Forschung zu begeistern, die vorher zu diesen Themen keinerlei Bezug hatten. Allgemein war die Pandemie natürlich eine besonders intensive wissenschaftsjournalistische Erfahrung, in der neben viel Druck und Kritik die schönen Momente darin bestanden, wenn von Lesern und Hörern die Rückmeldung kam, dass ihnen unsere Berichterstattung wirklich weiterhelfen konnte.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Ich bin von Hause aus Physik-Nerd. Insbesondere während meines Studiums und der Doktorarbeit war mein Leben reich an Kommunikationsdesastern.

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten? 

Dass ich es praktisch nie hinbekomme, den Teebeutel rechtzeitig aus meiner Kanne zu nehmen, weil ich mich immer vorher ablenken lasse.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Ludwig Wittgenstein.

Ihre Lieblingswissenschaft?

Natürlich die Astrophysik.

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Cooperative phagocytosis of solid tumours by macrophages.

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Ich würde gerne für naturwissenschaftliche Studiengänge ein verpflichtendes Wissenschaftsphilosophie-Modul entwickeln.

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Wahrscheinlich in der Wissenschaftsphilosophie. Ich habe das während meiner Zeit in der astrophysikalischen Forschung nebenbei betrieben, und nach wie vor hätte ich gerne mehr Zeit, aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen philosophisch zu reflektieren.

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

…wichtiger denn je, weil dem Verständnis von Wissenschaft gesellschaftlich eine zentrale Rolle zukommt. Gleichzeitig wird sie sehr anders aussehen, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Bereich der KI, die das bloße Erklären aktueller Forschung übernehmen wird.

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte? 

Systematisch zu experimentieren.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Sehr düster mit Kriegen und Umweltkatastrophen. Meine Eltern haben viel von der Nachkriegszeit erzählt, und mir kam es sehr plausibel vor, dass man Zeiten des Friedens nicht als selbstverständlich voraussetzen darf. Als kleines Kind erlebte ich die Katastrophe in Tschernobyl, Wald- und Artensterben waren große Themen. Ich habe mir über all das viele Sorgen gemacht.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Schlafen — eines meiner größten Talente.

Kolleg*innen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

…nutzwertigen Themen der Astrophysik

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie dieser Person gerne stellen?

Carl Sagan. Ob er heute die Pioneer-Plakette anders gestalten würde.

 

Dr. Sibylle Anderl studierte Physik und Philosophie, und forschte nach ihrer Promotion zu Sternenentstehung und Wissenschaftsphilosophie. Seit 2017 ist sie Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und seit 2021 Co-Leiterin des Wissenschaftsressorts. Dort schreibt sie unter anderem über das Universum, Raumfahrt und Künstliche Intelligenz. Darüber hinaus ist Anderl Autorin mehrerer Sachbücher, Mitherausgeberin der Kulturzeitschrift "Kursbuch" und Host des Magazins "Space Night Science" in ARD alpha. 


Twitter: @sianderl / Mastodon: @sianderl@mas.to


1 Kommentare

  1. Karl Penzkofer am 17.10.2023

    Sehr geehrte Frau Dr. Anderl!

    Hätte gerne mal kurz tel. Kontakt wg. eventueller Einladung zu einem Vortrag zB: “Über Schönheit und Bedeutung der Physik”. Hatte Vergleichbares mal zur Mathematik organisiert.

    Meine Telnr: 0172 8527253

    Mit freundlichen Grüßen

    Karl Penzkofer

    Vors. Kulturförderverein Joseph Schlicht

    94377 Steinach

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