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Nachgefragt – bei Stefan Brandt

08. Dezember 2020

  • Erstellt von Sina Metz
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Dr. Stefan Brandt leitet das Ausstellungs- und Experimentierforum Futurium in Berlin. Foto: Ali Ghandtschi

 

In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In der Ausgabe Sechzig sprechen wir mit Dr. Stefan Brandt, Direktor des Futuriums, dem Haus der Zukünfte in Berlin.

Ein*e gute*r Kommunikator*in braucht…?

Neugier für Inhalte. Interesse an Menschen. Und die Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Meine Neugier auf eine neue Aufgabe, deren Dimension noch kaum abschätzbar war. Ich habe damals jedenfalls nicht erwartet, dass das Futurium im ersten Jahr nach Eröffnung von fast 600.000 Menschen besucht werden würde, trotz zeitweiliger Schließung aufgrund des Corona-Lockdowns.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Derzeit: Webex, Zoom, Skype.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator*in?

Eine Führung durch das Futurium für den Jugendpressetag. Es war kein „Ich erkläre euch jetzt mal, wie Zukunft geht“, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe darüber, welche Zukunftshoffnungen, Zukunftswünsche und auch Zukunftssorgen wir haben. Das Schöne am Thema Zukunft ist ja, dass wir alle Lai*innen – oder positiver formuliert: Expert*innen – sind. Niemand kann die Zukunft vorhersehen, aber alle können sich ihre ganz eigenen „Zukünfte“ vorstellen. Das Thema eignet sich deshalb hervorragend für eine barrierearme Kommunikation ohne vermeintliches Herrschaftswissen.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Es gab bislang nicht das eine große Desaster. Eher gibt es sowohl im Berufs- als auch im Privatleben immer wieder mal Situationen, in denen ich das Gefühl habe, einer Sache kommunikativ nicht gerecht geworden zu sein. 

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Abschalten fällt mir schwer, besonders dann, wenn ein Problem noch nicht gelöst ist. Das setzt mich dann unter Spannung. Da wäre hin und wieder ein „Spannungsabfall“ ganz hilfreich, was auch der Problemlösung zugute käme. Ich arbeite daran…

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Mozart. Es ist für mich weiterhin ein absolutes Mysterium, was dieser Mensch – der durchaus auch noch Zeit für diverse Vergnügungen hatte – in so wenigen Lebensjahren an unfassbar genialen Werken geschaffen hat. Bloß: ob ich nach dem Essen wirklich schlauer wäre?

Ihre Lieblingswissenschaft?

Ich bin zwar von Haus aus Musikwissenschaftler, würde hier aber nicht unbedingt von einer „Lieblingswissenschaft“ sprechen. Vielmehr bin ich überzeugt, dass jegliche Wissenschaft faszinierend ist, wenn sie mit Expertise, Begeisterung und vor allem Demut betrieben wird. Guter Wissenschaft geht es nicht nur um „richtig“ oder „falsch“. Es geht ihr um Wahrhaftigkeit in einer durch Neugier angetriebenen und nie endenden Suche. Es geht ihr um Transparenz und um Offenheit für sachliche Kritik. Das alles unterscheidet Wissenschaft von Ideologie und Verschwörungstheorien. 

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Das Thema möchte ich so ungern kommunizieren, dass ich es an dieser Stelle leider nicht verraten kann…

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Ich würde gern in belastbarer Form ermitteln, welche konkreten Bedarfe Bürger*innen eigentlich an Wissenschaftskommunikation haben. Wovon wollen sie mehr? Wovon weniger? Wie intensiv möchten sie involviert sein und sich beteiligen? Noch viel zu sehr fischen wir da im Trüben und vermuten bestenfalls, was Bürger*innen vielleicht interessieren könnte. Das Ergebnis einer solchen großangelegten Studie würde vermutlich sehr differenziert ausfallen und viele unterschiedliche Bedürfnisse sichtbar machen. Das könnte uns helfen, bei der Einlösung des Versprechens weiterzukommen, dass Wissenschaftskommunikation dialogisch und partizipativ sein soll. 

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Ich war ja schon in einigen Bereichen tätig, in der Kultur ebenso wie in der Wirtschaft. Überall habe ich etwas gelernt und hatte das Glück, mit außergewöhnlichen Menschen zusammenzuarbeiten. Im Futurium ist dies genauso; zusätzlich haben wir hier aber die Chance, hunderttausende Menschen mit Wissenschaft und Zukunftsthemen in Verbindung zu bringen. Ganz groß gedacht: Wir könnten langfristig gesellschaftlich wirksam werden. Insofern sehe ich aktuell eigentlich keinen Bereich, in dem ich lieber arbeiten würde. 

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

...nicht mehr: „Wir Wissenden geben unser Wissen an euch Unwissende weiter“, sondern: „Lasst uns miteinander reden. Wir können von euch lernen und ihr hoffentlich von uns. Und wir alle gemeinsam schaffen es, darüber ein zivilisiertes Gespräch zu führen.“ 

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Die kopernikanische Wende. Und falls die Corona-Impfstoffe tatsächlich so wirksam sind, wie es derzeit aussieht: dann kann auch die in Rekordzeit erfolgte Erforschung des Virus und möglicher Impfstoffe zu einer großen wissenschaftlichen Errungenschaft werden. Immerhin würden damit Millionen Menschen weltweit vor schweren Krankheitsfolgen oder sogar vor dem Tod bewahrt!

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

In unterschiedlichen Altersphasen unterschiedlich. Als kleines Kind habe ich jeden Tag mit Vorfreude erwartet: Was würde ich heute wieder Neues erleben, lernen, begreifen? Je älter ich wurde, desto mehr wurde mir das bewusst, was wir heute mit dem Word „Pfadabhängigkeiten“ beschreiben. Das war besonders in der DDR spürbar, in der ich bis zum meinem 14. Lebensjahr aufgewachsen bin. Es schien aus der Innensicht fast unvorstellbar, dass dieses Land einen anderen Weg einschlagen könnte als den, auf dem es sich seit Jahrzehnten mit immer größeren Problemen bewegte. Als dann 1989/90 der „Deckel“ mit ungeheurer Geschwindigkeit vom Topf flog und sich vollkommen neue Perspektiven auftaten, lernte ich wieder eine andere Dimension von Zukunft kennen: Disruption. Meine Kindheit hat mich also manches über Zukunft gelehrt, ohne dass mir dies damals bewusst gewesen wäre.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Musik hören oder eine Runde mit dem Hund laufen (so er denn in der Nähe ist).

Kolleg*innen helfe ich gerne bei…?

…der Frage nach dem „roten Faden“, nach der Geschichte, die sie erzählen wollen. Wir alle haben doch die Tendenz – gerade dann, wenn wir ganz tief in ein Thema eingestiegen sind – den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Ich glaube, da kann ich manchmal helfen, von der Detailebene wieder zurück zum großen Ganzen zu finden.

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie dieser Person gerne stellen?

Alexandre Fernandes Filho aus Brasilien. Er hat das sehr erfolgreiche Museu do Amanhã („Museum von Morgen“) in Rio de Janeira mit aufgebaut, das 2015 eröffnet wurde und ein „Role Model“ für viele andere Projekte weltweit ist, auch für das Futurium. Jetzt leitet er den mit dem Museum verbundenen Think-Tank „Museum of Tomorrow International“, der in mehreren Ländern Museumsprojekte mit Zukunftsbezug anstößt und berät. Ihm würde ich gern die Eine-Million-Dollar-Frage stellen, die uns alle umtreibt: Wie schaffen wir es, mit Menschen außerhalb der „Blase“ des Wissenschaftsbetriebs nachhaltig über Zukunftsthemen ins Gespräch zu kommen? Ich glaube nämlich, ihm und seinem Team ist das in Rio schon ganz gut gelungen. Wir können viel von ihnen lernen.

Stefan Brandt

Stefan Brandt ist promovierter Musikwissenschaftler und Kulturmanager. Seit 2017 leitet er als Direktor des Futuriums dieses Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Experimentierforum. Zuvor war er Geschäftsführer und Vorstand der Hamburger Kunsthalle.


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