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„Nicht reine Informationsvermittlung, sondern Kommunikation, Dialog und Austausch“

09. September 2021

  • Erstellt von Sina Metz
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Porträt Kefa Hamidi Array

Dr. Kefa Hamidi leitet das Forschungszentrum Entwicklungskommunikation - Communication for Social Change an der Universität Leipzig Foto: Max Niemann

„Auf den Punkt gebracht“ – unter diesem Motto rückt das Forum Wissenschaftskommunikation 2021 das Zusammenspiel von Wissenschaftskommunikation und Sprache in den Fokus. Kefa Hamidi vom Forschungszentrum Entwicklungskommunikation – Communication for Social Change (EC4SC) spricht beim Forum in der Session „Vermittelte Medizinkommunikation zum gesellschaftlichen Zusammenhalt: Räume, Sprache, Modi und Tools“ darüber, wie sich Themen für Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus nachhaltig kommunizieren lassen. Wir haben mit ihm über verständliche Sprache, transformative Räume und Hürden in der Kommunikation gesprochen.

In der Session beim Forum Wissenschaftskommunikation möchten Sie mit Ihren Co-Referent*innen die Frage erörtern, wie medizinische Themen so kommuniziert werden können, dass sie für Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus verständlich sind und nachhaltig wirken. Wie gelingt das?

Ich komme aus dem Bereich Kommunikation für sozialen Wandel. Bei diesem Ansatz geht es immer um Partizipation oder genau gesagt partizipative Kommunikation, die auf Dialog basiert. Wir beschäftigen uns einerseits mit der Frage, wie man Strukturen in der Medizinkommunikation partizipativer gestalten kann. Andererseits geht es darum, die Bürger*innen zu empowern, damit sie in diesen Strukturen teilhaben können. Auch eine Verständigung zwischen den unterschiedlichen sozialen Milieus setzt eine partizipative Struktur bzw. Räume voraus, die medizinische Strukturen online und offline anbieten sollten. In diesen Strukturen sollte dann nicht reine Informationsvermittlung stattfinden, sondern Kommunikation, Dialog und Austausch zwischen Mediziner*innen und Bürger*innen.

Wie entstand die Idee zur Session?

Die Idee zur Session stammt aus dem letzten Sommer, als es mit der Pandemie richtig losging. Ich habe mit dem Kollegen PD Dr. Harun Badakhshi aus Berlin, er ist Mediziner und auch in der Session als Co-Referent dabei, darüber gesprochen, warum bestimmte Themen in der Bevölkerung nicht ankommen. Gerade bei Gesundheits- und Medizinthemen ist diese Frage relevant und wird zurzeit viel diskutiert, zum Beispiel beim Thema Impfung. Das Fazit ist immer wieder, dass man eben besser kommunizieren müsse, damit die Informationen alle Teile der Bevölkerung erreichen. Dabei wird aber nicht wirklich differenziert, was es bedeutet besser zu kommunizieren. Diese Fragestellung wollten wir aus unseren beiden Perspektiven, also der kommunikationswissenschaftlichen und der medizinischen, beleuchten und haben dazu ein Seminar konzeptioniert.

Was waren die Inhalte dieses Seminars?

Wenn man feststellt, dass wissenschaftliche Themen nicht bei allen Teilen der Bevölkerung ankommen, sucht man die Ursachen häufig bei der Bevölkerung. Was dabei außer Acht gelassen wird, sind die Strukturen der Medizin und des Gesundheitswesens: Wie kommunizieren sie überhaupt? Wie partizipativ sind die online- und offline-Strukturen? Diese Fragen waren der Kern des Seminars, für die wir die Studierenden sensibilisieren wollten.

Wir haben zunächst die Websites verschiedener großer Einrichtungen in Deutschland, beispielsweise der Charité Berlin, des Gesundheitsministeriums, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder der Deutschen Krebsgesellschaft genauer angesehen, um herauszufinden, wie partizipativ die Webseiten sind.

Unsere ersten Ergebnisse zeigten, dass es sehr viel Nachholbedarf gibt. Dabei wissen wir, dass Informationen übersichtlicher und verständlicher für Menschen sind, wenn diese auch partizipieren können und nicht nur Informationen vermittelt bekommen.

Wie kann eine Website partizipativ sein und nicht nur Informationen vermitteln?

Dabei gibt es mehrere Ebenen: Partizipation klingt erst einmal abstrakt. Die Forschung zeigt, dass die Kommunikation in Online-Formaten besser gelingt, wenn „transformative Räume“ entstehen. Damit sind thematisch fokussierte digitale Räume gemeint, zum Beispiel zum Thema Krebsvorsorge. Dort erhalten Betroffene und interessierte Personen die Möglichkeit zum Austausch. Gleichzeitig kommen Ärzt*innen hinzu, um aufzuklären und einzugreifen, wenn Falschinformationen auftauchen. Dabei teilen die Expert*innen ihr Wissen, aber eben nicht von „oben herab“. Wenn Menschen aktiv teilnehmen und sich austauschen können, werden die Informationen nicht nur gelesen, sondern auch nachhaltig verstanden.

Was sind die anderen Ebenen?

Eine weitere Ebene ist die Sprache, die verwendet wird. Damit sie von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verstanden wird, muss sie inklusiv und mehrdimensional sein.

Was macht Sprache inklusiv?

Begriffe aus der Wissenschaft funktionieren in ihrem System, z.B. wenn man auf einer akademischen Konferenz einen Vortrag hält. Aber wenn versucht wird, mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zu kommunizieren und diese zu erreichen, dann muss man die Sprache übersetzen und die Begriffe erklären. Und dieses Übersetzen muss auch den verschiedenen Zielgruppen angepasst werden, indem man beispielsweise eine niederschwellige Art nutzt oder die Methode der Einfachen Sprache verwendet. Damit eine Verständigung stattfinden kann, sollten im Sinne der Globalisierung, der Diversität und der real existierenden Mehrsprachigkeit weitere Sprachen außer Deutsch verwendet werden. Deutschland ist eine postmigrantische Gesellschaft und in vielen Milieus werden neben der deutschen Sprache sehr viele weitere Sprachen zur Verständigung angewendet. 

Die Corona-Pandemie zeigt, dass die Medizinkommunikation einige Teile der Bevölkerung nicht erreicht. Was sind die Ursachen?

Diese Frage ist auch ein Anliegen unserer Session. Dass Kommunikation nicht funktioniert, liegt zum einen daran, dass die medizinischen Strukturen nicht partizipativ genug sind. Zum anderen arbeiten verschiedene Disziplinen nicht zusammen. In einem Seminar erklärte ein Referent, ein Gynäkologe aus Berlin, das am Beispiel der Humanen Papillomavirus (HPV)-Impfung für junge Frauen. Es ist durch Studien erwiesen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr stark sinkt, nach Impfung Gebärmutterhalskrebs, der von HPV verursacht wird, zu bekommen. Obwohl sie Leben rettet, wird die Impfung teilweise nicht angenommen, besonders von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund. Warum kommt die Information also nicht an? Das Problem ist, dass Mediziner*innen häufig für sich arbeiten – und das wäre genau eine Frage für Kommunikatonswissenschaftler*innen. Die Medizin kann das Problem darlegen, und die Kommunikationswissenschaft Strategien entwickeln, wie das Thema ankommt. Dazu braucht es aber Kollaborationen.

Welche Beispiele gibt es, bei denen Medizinthemen in Sprache und Form so kommuniziert werden, dass sie nachhaltig gewirkt haben?

Da gibt es viele verschiedene Projekte, die das erfolgreich machen, beispielsweise das im Rahmen des Projektes Mut Macherinnen des Dachverbandes der Migrant*innenorganisationnen (DaMigrae.V.) durchgeführte Format zur Gesundheitskommunikation. Durch thematische Qualifizierungen der Frauen wird ihrer besonderen Rolle in den Familien als Informations- und Handlungspersonen Rechnungen getragen. Durch ihr Empowerment schaffen sie eine Art  „transformative Räume“, in denen Gesundheitsthemen wie Impfung und Kindergesundheit ganzheitlich, zielgruppenspezifisch, mehrsprachig und interaktiv bearbeitet werden. Ziel ist es, die Barrieren im Gesundheitssektor als Quelle von prekären Situationen zu identifizieren, zu bearbeiten und dann zu kommunizieren.

Was erwartet die Teilnehmenden der Session beim Forum Wissenschaftskommunikation?

Es wird um transformative Gesundheitskommunikation gehen. Zunächst geht es darum, den Ist-Zustand darzustellen, um die existierenden Strukturen zu erfassen. Im zweiten Schritt wollen wir erörtern, wie die Strukturen anders sein sollten. Was könnten die Ziele sein? Wir sagen: Sie müssen kommunikativer, partizipativer sein. Und im dritten Schritt wollen wir die Wege zeigen, wie man dahin kommen kann. Also wie die Transformation zum Soll-Zustand gelingen kann. Welche Wege gibt es, welche Kollaborationen sind dafür notwendig? Dabei geht es auch um die Sprache: Welche Sprachen kommen in Frage? Dabei möchten wir auch die Meinung der Teilnehmenden hören und mitnehmen, um die Ideen weiterzuentwickeln.

Wenn Sie Sprache sagen, geht es dann nur um Sprache und verschiedene Übersetzungen oder auch um Formate und Vermittlungsformen?

Das ist eine interessante Frage. Sprache ist erst einmal ein grundlegendes Werkzeug – egal ob sie in einer Kampagne, auf einer Website oder in einem Workshop verwendet wird. Aber Sprache kann auch in verschiedenen Formaten unterschiedliche Formen annehmen. Das hängt davon ab, welche Zielgruppe man erreichen möchte. Dafür ist vielleicht die Verwendung der deutschen Sprache als Hauptsprache nicht immer entscheidend.


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