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„Wissenschaftskommunikation hat eine Schlüsselrolle als Brückenbauerin“

07. März 2022

  • Erstellt von Ursula Resch-Esser
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Monika Landgraf leitet die Gesamtkommunikation des Karlsruher Instituts für Technologie und ist Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Hochschulkommunikation. Foto: Markus Breig/ KIT

„Transformation gestalten – Wissenschaftskommunikation für eine Gesellschaft im Wandel“. Diesen Schwerpunkt hat der Programmbeirat für das Forum Wissenschaftskommunikation 2022 gewählt. Was steckt hinter diesem Thema? Auch in diesem Jahr haben wir darüber mit Mitgliedern des Programmbeirats gesprochen. Monika Landgraf leitet die Gesamtkommunikation und ist Pressesprecherin des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und zum ersten Mal Mitglied des Programmbeirats. Im Interview spricht Monika Landgraf, die auch Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Hochschulkommunikation ist, über die Bedeutung von Bürgerbeteiligung bei Transformationsprozessen und erklärt, warum die Wissenschaftsorganisationen ihre Social-Media-Aktivitäten stärken sollten.

Welche Rolle spielt Wissenschaft bei den vor uns liegenden gesellschaftlichen Transformationsprozessen?

Viele der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen sind eng mit Wissenschaft verknüpft, denken Sie nur an die Klimakrise und die Corona-Pandemie, die Digitalisierung oder die Energiewende. Viele dieser Herausforderungen lassen sich nur mithilfe der Forschung begegnen: Durch wissenschaftliche Erkenntnisse, darauf aufbauend Innovationen und Entwicklungen und natürlich im Dialog mit der Gesellschaft. Dabei ist es wichtiger denn je, dass viele Disziplinen gleichzeitig an einem Thema arbeiten. Bei der Frage nach der Mobilität der Zukunft etwa brauchen Sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Feldern Mobilität und Verkehrsplanung, Energie und Informatik gleichermaßen. Ganz wichtig ist bei solchen gesellschaftlichen Fragestellungen, dass die Technikwissenschaften nicht unter sich bleiben, sondern dass von Anfang an auch die Geistes- und Sozialwissenschaften und auch die Technikfolgenabschätzung mit einbezogen werden. Bei Transformationen und Umbrüchen muss immer auch die Frage gestellt werden, was bedeutet eine Technologie für die Gesellschaft und gehen die Bürgerinnen und Bürger den Weg überhaupt mit.

Muss sich in einer Gesellschaft im Wandel auch die Wissenschaft wandeln?

Ich denke, ja. Der ständige Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wird immer wichtiger. Zum einen, um das Wissen in die Gesellschaft zu tragen. Man muss aber auch den Prozess erläutern und erklären, wie komme ich als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin zu meinen Erkenntnissen und was unterscheidet wissenschaftliche Ergebnisse von Meinungen. Dazu ist ein intensiver Austausch notwendig.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es nicht nur darum geht, Wissen in die Gesellschaft zu tragen, sondern auch, Impulse aus der Gesellschaft mehr und mehr in das eigene Agenda Setting aufzunehmen. Dieser Austausch wird immer wichtiger, damit die Transformation in großen Zukunftsfragen gelingen kann. Und jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin muss sich der Verantwortung bewusst sein, die er oder sie gegenüber der Gesellschaft hat.

Welche Angebote kann Wissenschaftskommunikation dabei machen?

Wissenschaftskommunikation kann Brücken zwischen Forschung und Gesellschaft bauen. Beim Change-Management ist eine gute und verlässliche Kommunikation stark gefordert – in Unternehmen aber auch bei gesellschaftlichen Umbrüchen. Genau das ist auch der Grund, warum der Programmbeirat für das Forum Wissenschaftskommunikation das Thema „Transformation gestalten – Wissenschaftskommunikation für eine Gesellschaft im Wandel“ gewählt hat.

Eine Aufgabe der Wissenschaftskommunikation ist es, das Vertrauen in die Wissenschaft zu fördern. Sie kann sehr gut erklären, dass wissenschaftliche Erkenntnisse eben keine Meinungen sind. Sie kann mithelfen, Prozesse und Funktionsweisen zu erklären und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger stärken, idealerweise, indem sie Forschung miterleben. Ganz wichtig ist auch zu vermitteln, dass wissenschaftliche Ergebnisse vorläufig sind und dass es auch eine Vielstimmigkeit in der Wissenschaft gibt. Dabei geht es auch darum, die Grenzen von Wissenschaft aufzuzeigen.

Einen Punkt möchte ich noch anfügen. Transformationsprozesse funktionieren nur in einem ständigen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Denken Sie etwa an Geothermie oder autonomes Fahren. Solch große Projekte lassen sich in der Gesellschaft nur mit Bürgerbeteiligung und im ständigen Dialog umsetzen. Da hat gerade die Wissenschaftskommunikation eine Schlüsselrolle als Brückenbauerin.

Transformation geht alle an. Braucht Wissenschaftskommunikation dafür neue Wege und Formate, um auch alle zu erreichen?

Die Corona-Pandemie hat ja gezeigt, wie notwendig eine strategisch und breit angelegte Kommunikation in Krisensituationen ist. Was kann man daraus lernen? Ein Punkt ist, dass die Wissenschaftskommunikation alle erreichen muss. Wir müssen sehr zielgruppenspezifisch arbeiten und noch stärker an die individuellen Themenwelten anknüpfen, also die Empfängerperspektive einnehmen. Auch heute erreichen wir häufig nur diejenigen, die sich ohnehin durch Wissenschaft angesprochen fühlen. Es ist unsere Aufgabe, auch diejenigen zu erreichen, bei denen das noch nicht der Fall ist. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Wissenschaftsorganisationen ihre Social-Media-Aktivitäten stärken. Dass sie weiterhin auf den Kanälen präsent sind, auf denen auch Fake News geteilt werden, mit Faktenwissen dagegenhalten und sich nicht zurückziehen. Ich halte auch interaktive Veranstaltungsformate für wichtig. Zielführend sind sicher auch fiktionale Formate, die Menschen emotional ansprechen. Es ist auch gut, Menschen in der Wissenschaft sichtbar zu machen, sie im Alltag zu begleiten.

Eine Baustelle ist dabei, wie geht man mit Anfeindungen um. Jüngstes Beispiel sind „Die Lockdown-Macher“ in der BILD. Es war sehr gut, dass die Allianz der Wissenschaftsorganisationen binnen kürzester Zeit dazu ganz klar Stellung genommen hat und dass die Medien das auch aufgegriffen haben. Nicht zuletzt muss man die Kommunikationskompetenz der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärken und sie, wie auch die Kommunikationsabteilungen, bei Anfeindungen kompetent unterstützen. Daher hat der Bundesverband Hochschulkommunikation die Initiative ergriffen, eine Ombudsstelle Wissenschaftskommunikation einzurichten, die in Konfliktfällen in allen Fragen zur Wissenschaftskommunikation berät. Dies soll nun gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog und gegebenenfalls weiteren Partnern umgesetzt werden.

Gibt es Best-Practice-Beispiele für Formate, die Transformationsprozesse begleiten können?

Ein gutes Beispiel sind Reallabore, in denen man beispielsweise ausgewählte Klimaschutzmaßnahmen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort erforschen und testen kann. Oder Bürgerdialoge. Die Menschen bringen wertvolles und alltagserprobtes Wissen aus der Praxis mit und ihre Erwartungen lassen sich in die Forschungsarbeit einbinden. Ein weiteres Best-Practice-Beispiel ist die KIT Science Week, die wir im letzten Jahr am KIT in Karlsruhe durchgeführt haben. Als die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft haben wir für fast eine komplette Woche eine hochrangige internationale Konferenz zur Spitzenforschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz verknüpft mit einem bunten Strauß an Formaten für die Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt stand das Thema „Der Mensch im Zentrum lernender Systeme“.  Das Angebot reichte von einer Podiumsdiskussion mit Teilnehmenden aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, über weitere Formate zur kritischen Diskussion des Themas, spannende Impulsvorträge zur Mittagszeit, die „Brainbites“, und offenen Laboren, einer TEDx-Veranstaltung bis hin zu Führungen und Workshops für Schülerinnen und Schüler. Ein Kernelement der KIT Science Week war ein ganztägiger Bürgerdialog, für den Bürgerbotschafterinnen und -botschafter vorab Interviews mit Forschenden geführt hatten. Die Ergebnisse aus dem Bürgerdialog wurden auf Leitungsebene ins KIT eingebracht, mit dem Ziel, Impulse aus diesem Gespräch mit der Gesellschaft in die Agenda des KIT aufzunehmen. Diese KIT Science Week, bei der auch die Stadt Karlsruhe und die Technologierregion sowie viele Player aus Kunst und Kultur eingebunden waren, wird künftig alle zwei Jahre stattfinden.

Das Forum Wissenschaftskommunikation findet vom 4. bis 6. Oktober 2022 in Hannover statt. Der Call for Proposals ist noch bis zum 10. März 2022 offen.


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