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Wollen wir nur Menschen erreichen, die ohnehin offen sind für geistige Herausforderungen?

08. November 2018

  • Erstellt von Jan Steffen
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Nah dran an Forschung und Lehre - Das #fwk18 findet im Hauptgebäude der Bonner Universität statt Foto: Jan Steffen

Mist. Eigentlich wollte ich mir mit meinem ersten Gastbeitrag in diesem Blog selbst eine Brücke bauen, um nicht so viel aus den Sessions des #FWK18 berichten zu müssen. Die Inhalte von mehreren thematisch weit auseinander liegenden Veranstaltungen eines Tages in einem Post zusammenzufassen ist halt schwierig. Außerdem kümmert sich das Team von Wissenschaft im Dialog wieder zuverlässig um die Dokumentation des Forums. 4000 Zeichen pro Session sind Vorgabe, wie ich heute von einer zuverlässigen Quelle erfahren habe. Deshalb wollte ich mich mehr auf Atmosphäre und das Geschehen in den Pausen konzentrieren.

Doch dann kam heute Mittag die bemerkenswerte Keynote von Prof. Dr. Julika Griem, Literaturwissenschaftlerin und Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Bemerkenswert nicht, weil ich mit Ihr in allen Punkten übereinstimme. Im Gegenteil. Bemerkenswert gerade weil sie Standpunkte vertrat, die augenblicklich Widerspruch hervorriefen und so für Diskussionen sorgten, die sicherlich während der gesamten drei Tage des Forums nachhallen werden. Ein guter Start für eine Konferenz.

Kurz gesagt warnte Julika Griem vor der „Narrativierung“ und „Eventisierung“ der Wissenschaftskommunkation. Das von Kommunikatoren immer wieder als Wundermittel gepriesene „Storytelling“ schränke die Darstellung von Wissenschaft unnötig ein, stelle das „Abenteuer“ und „einzelne Abenteurer“ in der Wissenschaft zu sehr in den Mittelpunkt, während die alltägliche Routine der Forschung verdrängt werde. Julika Griem forderte dazu auf, das Publikum nicht „abzuholen“, sondern „sanft zu überfordern“. „Wissenschaft ist kein barrierefreier Abenteuerspielplatz“, sagte die DFG-Vizepräsidentin.

Ja, sie hat Recht. Große Bereiche dessen, was wissenschaftliche Arbeit ausmacht, fallen in der Wissenschaftskommunikation weg. Die Verwaltung. Das Anträge schreiben. Das Organisieren. Das Warten auf Ergebnisse. All das ist Teil der Wissenschaft. Aber: All diese Dinge gehören auch zu anderen Berufen. Sie sind nicht wissenschaftsspezifisch. Sich allein oder im Team auf neues Terrain zu begeben, intellektuell oder auch physisch, dagegen schon.

Ein noch viel bedeutenderer Einwand ist aber, dass die Forderungen von Julika Griem zu einer elitären, ja sogar spaltenden Wissenschaftskommunikation führen würden. Wissenschaftskommunikation wie sie ihr vorschwebt, setzt ein interessiertes Publikum voraus, das bereit ist, sich „sanft überfordern zu lassen.“

Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir Menschen nicht zwingen können, sich mit Wissenschaft zu beschäftigen. Aus meiner Ausbildung als Tageszeitungsjournalist weiß ich, wie schnell Menschen das Interesse an einem Text verlieren. Schon ein Wort, das Leserinnen oder Leser nicht verstehen, kann dazu führen, dass sie „aussteigen“ und den Text nicht weiterlesen. Auf die Bandbreite der Wissenschaftskommunikation übertragen bedeutet das: Schon kleinste Barrieren können Menschen abschrecken. Sie wenden ihre Aufmerksamkeit statt der Wissenschaft dann (im besten Fall) lieber dem belanglosen Krimi oder (im schlimmsten Fall) simplen populistischen Thesen zu.

Wollen wir also nur Menschen erreichen, die ohnehin offen sind für geistige Herausforderungen? Wollen wir allen anderen Barrieren entgegen stellen, wenn sie Wissenschaft begegnen? Was ist falsch an Barrierefreiheit? Warum Menschen nicht abholen? Wer einmal mitkommt, ist beim nächsten Mal vielleicht schon bereit für ein bisschen Überforderung. Dass wir dabei wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse korrekt und ohne Übertreibungen darstellen müssen, steht ja außer Frage.

Dass sich für die Kommunikation von Wissenschaft auch Galionsfiguren, die „einzelnen Abenteurer“ des „Abenteuers“ Wissenschaft, eignen können, zeigt der von DFG und Stifterverband vergebene Communicator-Preis. In dem auf die Keynote folgenden Gespräch fragte Christoph Koch aus dem Wissen-Ressort des Stern dann auch nach der diesjährigen Preisträgerin Antje Boetius. In diesem Zusammenhang hat Julika Griem einen Aspekt angesprochen, bei dem ich ihr dann wieder voll zustimme. Sie betonte, dass Antje Boetius und andere Kommunikator-PreisrägerInnen gute Beispiele seien, dass Kommunikation auch eine Frage der Begabung sei. Nicht jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin könne gezwungen werden, außerhalb der eigenen Community zu kommunizieren. Es sei notwendig, innerhalb von wissenschaftlichen Arbeitsgruppen viel stärker als bisher Aufgaben zu verteilen. Nach dem Motto: Wer kann was?

Diese Idee kann ich im Sinne der Kommunikation nur begrüßen. Wer keine Lust hat, zu bloggen oder mit Journalisten zu reden, wird das auch nicht gut machen. Er oder sie kann in der Forschung trotzdem exzellente Arbeit leisten. Andererseits sollte man die Mitglieder einer Arbeitsgruppe, die Lust haben zu kommunizieren, in diesem Sinne auch fördern. Dabei können wir Profis aus den Kommunikationsabteilungen helfen.

Und noch etwas kam im Zusammenhang mit Antje Boetius zur Sprache: Es gebe Wissenschaftsbereiche, die sich besser für Storytelling eignen als andere, sagte Julika Griem. Wenn Antje Boetius als Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts auf großen Schiffen mit „sexy Geräten“ unterwegs sei, sei das nun einmal einfacher zu verkaufen als die Archivarbeit einer Philologin. 

Ob das wirklich so ist, lasse ich dahingestellt. Als studierter Historiker denke ich, dass auch die Geisteswissenschaften spannende Geschichten zu erzählen haben. Aber ja, es stimmt natürlich. Meeresforschung ist einfach sexy.


1 Kommentare

  1. Reiner Korbmann am 13.11.2018

    Zwei Dinge möchte ich zu diesem bemerkenswerten Kommentar ergänzen:

    1. Kommunizieren nur mit denen, die sich "zärtlich überfordern" lassen? Diese Einstellung halte ich für gefährlich, Sie übersieht, dass Wissenschaft von der Gesellschaft getragen wird, ganz und gar, von der Freiheit der Forschung bis zum gut vorgebildeten Nachwuchs, den Finanzen und anderen Privilegien. Wenn ich nur mit einem Teil der Gesellschaft kommuniziere, darf ich mich nicht wundern, wenn sich in den Social Media Gruppen zusammentun, die wissenschaftliche Fakten, die ihnen nicht passen, leugnen, angreifen und heftig bekämpfen. Das hat Folgen, wie man an Pegida, AfD und Donald Trump sieht.

    2. Nicht jeder Wissenschaftler muss selbst kommunizieren. Er sollte sich aber der Wichtigkeit von Kommunikation mit allen Bereichen der Gesellschaft bewusst sein und entsprechend auch die Hilfe der Kommunikations-Profis suchen. Wer nur auf die Pressestelle zukommt, wenn er wieder in "nature" oder einer anderen wichtigen Zeitschrift ein Paper untergebracht hat, darf sich nicht wundern, dass so wenig über den Prozess Forschung berichtet wird. Wissenschaftskommunikatoren sind für ein Institut genauso wichtig wie die Verwaltungsdirektoren, Wissenschaftler sollten sie als Partner auf Augenhöhe verstehen.

    Mehr aus meiner Sicht zur Philippika von Frau Griem in meinem Blog "Wissenschaft kommuniziert" (https://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2018/11/11/im-schatten-des-elfenbeinturms-ein-kommentar-fwk18/). Dort ist auch der Originaltext zu finden: https://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2018/11/11/zumutungen-wissenschaftskommunikation-und-ihre-widersprueche/

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