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Zu der Zusammenarbeit von Initiativen zur Flüchtlingshilfe und Kommunen – ein Gespräch mit Dr. Ulrike Hamann

Dr. Ulrike Hamann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „wissenschaftliche Grundfragen“ am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM). Sie ist Autorin der Studie „Koordinationsmodelle und Herausforderungen ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in den Kommunen“ der Bertelsmann-Stiftung.

10.11.2016

In welchen Bereichen engagieren sich Menschen für Geflüchtete?

Das Engagement lässt sich unterteilen in die Initiativen, die gezielt Ersthilfe bereitstellen und jene, die „Hilfe beim Ankommen“ anbieten und dabei unterstützen, dass sich die Menschen in unserer Gesellschaft zurechtfinden. Da sind die Aktivitäten sehr breit gefächert. Viele Initiativen geben Deutschkurse, begleiten bei Behördengängen und dem Ausfüllen von Anträgen und unterstützen bei der Wohnungs- oder Jobsuche. Viele der Initiativen in kleinen Kommunen sind vor allem lokal in ihrem Stadtteil aktiv. Manche decken dennoch beinahe alle Bereiche der Unterstützung ab. Andere, wie in Berlin beispielsweise, wo es eine nahezu unüberschaubare Landschaft an Initiativen gibt, haben sich oft sehr stark spezialisiert.

Wie sind die Initiativen entstanden?

Meist führte die Gründung einer Flüchtlingsunterkunft dazu, dass die Stadt oder andere Akteure zu einem ersten Begegnungstreffen einluden und dort dann mehrere Personen eine Initiative gründeten. Inzwischen sind viele Initiativen unglaublich gut organisiert, institutionalisieren sich zunehmend und es haben sich arbeitsteilige und sehr arbeitsfähige Strukturen herausgebildet. Und das in einem hochgradig informellen Sektor. Viele der Initiativen haben Koordinationspersonen, die die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen und die einzelnen Arbeitsgruppen haben oft festgelegte Verantwortliche, die die Freiwilligenarbeit in dem jeweiligen Bereich koordinieren.

Was waren unerwartete Schwierigkeiten in der Flüchtlingshilfe?

Eine zentrale Form der Unterstützung ist für viele Initiativen die Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit. Es erleichtert vieles, wenn die Kommune die Arbeit der Initiative schätzt und unterstützt – gerade, da die Gründung der Initiative oft spontan war und manche der Freiwilligen bis zu 40 Stunden ehrenamtliche Arbeit in der Woche verrichten. Manche Kommunen haben eine städtische Koordinationsstelle eingerichtet, die als Interessensvertretung der Ehrenamtlichen fungiert und beteiligen auch Initiativen an Runden Tischen. Andere Initiativen melden aber auch Frustration, weil sie aus den Kommunen zu wenig oder gar keine Unterstützung bekommen und teilweise auch mit der Trägheit mancher kommunaler Institutionen nicht zurechtkommen. Die Unterstützung durch die Kommunen ist in vielen Bereichen wichtig: Besonders bei der Bereitstellung von Begegnungsräumen, der finanziellen Unterstützung und der Möglichkeit an Fördermittel zu kommen, dem Wissensmanagement und allem voran die Wertschätzung der Arbeit.

Welche Relevanz haben die zahlreichen Initiativen und die hohe Beteiligung für unser zukünftiges Zusammenleben?

Das große bürgerschaftliche Engagement war für viele – auch für die Migrationsforschung – überraschend. Und das Engagement geht unvermindert weiter. Es ist scheinbar etwas nachhaltig passiert, was sich wohl nicht mehr so einfach zurückdrehen lässt. Die Akzeptanz von Migration und das Erleben einer postmigrantischen Gesellschaft finden breit verankert und über sämtliche parteipolitische Präferenzen hinweg statt – und das ist ein neues Phänomen. Man kann also trotz des zunehmenden Rassismus feststellen: Auch die Kultur der Solidarität gehört zu diesem Land!

Mehr zum Thema: Und was tust du? Die Rolle der Freiwilligen in der Geflüchtetendiskussion und die Kultur der Solidarität