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Eröffnung und erster Tag der AAAS: Wie sehr muss sich Wissenschaft einmischen?

20. Februar 2017

  • Erstellt von Markus Weißkopf
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Erster Tag des jährlichen AAAS-Meetings in Boston. Foto: Markus Weißkopf

Bei dem frühlingshaften Sonnenaufgang fällt es fast schwer, in den Flieger zu steigen, um nach Boston zum diesjährigen Meeting der AAAS zu fliegen. Dort warten 40cm Schnee und eine Menge Wissenschaft. „Serving Society through Science Policy“, so das Motto des Treffens, das natürlich sehr unter dem Eindruck der neuen Administration in den USA steht. Für mich ist natürlich besonders spannend, was das für Wissenschaftskommunikation bedeutet.

Was verändert sich für die Wissenschaft unter Trump?

Bei der Eröffnung am Abend machen Barbara Schaal und ihre Kolleginnen des AAAS-Boards klar, dass Wissenschaft weltoffen ist und dass bei der AAAS alle willkommen sind – auch die Kolleginnen und Kollegen aus den muslimischen Ländern, die mit dem „Immigration Ban“ belegt wurden. Wissenschaft basiert auf dem freien Austausch von Ideen und der Reisefreiheit für alle Menschen. Das machen dann auch die Diskutanten rund um den ehemaligen Obama-Berater John P. Holdren am nächsten Tag klar. Nach einem Rückblick auf wissenschaftliche Politikberatung in den Jahren seit der Clinton-Administration wird es interessant. Es kommt die „Softball-Frage“ des Moderators: Was verändert sich denn nun unter Trump? Holdren hat einige Tipps. Unter anderem rät er den Wissenschaftlern, 10 % ihrer Zeit für Politikberatung und Outreach zu verwenden. Und er betont, dass man darauf achten müsse, dass die zahlreichen Aktivitäten, die nun stattfinden, auch strategisch gebündelt werden. Nur dann könne man wirklich einen Impact erzielen. Zu der konkreten Frage eines Wissenschaftlers „Was sollen wir in Bezug auf Kommunikation tun?“ gibt es eine, wie ich finde, sehr schöne Antwort des Podiums: Keine Briefe an die New York Times schreiben - handeln Sie lokal, reden Sie mit den Leuten!

Science March – Lobbying oder Kampf für eine pluralistische Gesellschaft?

Was die Teilnehmenden auf dem Podium zum Science March am 22.4. sagen, finde ich persönlich wiederum etwas zu zurückhaltend. Natürlich gibt es die Gefahr, dass Wissenschaft mit diesen Aktionen als „Lobbygruppe“ wahrgenommen wird und dass der March von den Normalbürgern eher als Kampf um Ressourcen statt als Kampf um eine freie und pluralistische Gesellschaft wahrgenommen wird. Dass diese als Grundlage für eine freie Wissenschaft, in der nicht nur nutzenorientierte Forschung, sondern auch die Erforschung der Grundlagen einen Platz hat, aber in Gefahr ist, kann man nicht bestreiten. Und ob es ausreicht, die üblichen institutionellen Wege einzuschlagen, um für diese demokratischen Grundlagen zu werben, scheint mir angesichts der Aussagen der Trump-Administration und des Vormarsches der Populisten fraglich. Vielleicht wäre es besser, die Diskutantinnen und Diskutanten auf dem Podium – scheinbar nicht unerfahren in politischen Aktionen – würden die eher jungen Kolleginnen und Kollegen unterstützen und dazu beitragen, dass beim March for Science die richtigen Botschaften rüberkommen.

Die “Merchants of Doubt” und die Wissenschaftspolitik

Eine klare Botschaft hingegen hat Naomi Oreskes in ihrer Plenary Speech am Abend. Ihrer Meinung nach müssten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler öffentlich einmischen. Wissenschaft sei nicht durch Wissenschaftler, die sich engagieren, politisiert, sondern durch diejenigen, denen es nicht passt, was Wissenschaft herausfindet. Außerdem sei es ihrer Meinung nach nicht schädlich, sich öffentlich zu äußern. Einstein, Bohr und Co. hätten das schließlich auch getan und es hätte keine negativen Auswirkungen auf ihre wissenschaftliche Reputation gehabt, so die Wissenschaftshistorikerin.

In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit den so genannten „Merchants of Doubt“ (ein gleichnamiges Buch kam bereits 2010 auf den Markt und ist unter dem Titel „Die Machiavellis der Wissenschaft“ nun auch auf Deutsch verfügbar). Dass auch Wissenschaftler sich für die Zwecke der Tabak- oder Ölindustrie einspannen lassen, war für sie schwer zu verstehen. Deshalb erforschte sie die Mechanismen, die dazu führen können, dass Menschen, die es eigentlich besser wissen, den Klimawandel oder den Fakt, dass Passivrauchen gesundheitsschädlich ist, leugnen. Interessanterweise kommt sie zu der Erkenntnis, dass es nicht Geld ist, das die Leute treibt, sondern die Überzeugung, dass der Staat nicht zu mächtig werden und möglichst wenig regulieren sollte. Also egal, ob deshalb Menschen sterben, die Umsetzung der Ideen Hayeks und Friedmans ist wichtiger. Das gilt natürlich besonders für die USA – es wäre sicher interessant, die Beweggründe deutscher „Merchants of Doubt“ zu ergründen.

Für Naomi Oreskes bedeuten ihre Erkenntnisse, dass Wissenschaftler nicht nur Fakten, sondern auch Werte vermitteln müssen, wenn sie erfolgreich kommunizieren wollen, und ruft diese nochmals explizit zum Handeln auf. Man kann nur hoffen, dass sie diesem Aufruf folgen. 


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