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Tag 1: Wer sind wir, und wie viele? Und was hat Wissenschaftskommunikation mit Pornografie zu tun?

09. Dezember 2014

  • Erstellt von Philipp Schrögel
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"Wer sind wir und wie viele?" ist nicht leicht zu beantworten. Das hat sich deutlich in der Diskussionsrunde "Wer spricht über Wissenschaft?" zu Beginn des Forum Wissenschaftskommunikation am Montag gezeigt.

Es diskutierten Nicola Kuhrt (Spiegel Online), Prof. Dr. Onur Güntürkün (Universität Bochum), Prof. Dr. Dietram Scheufele (University of Wisconsin/Madison - ihn habe ich auch zu seinen Eindrücken interviewt - und um es gleich deutlich zu machen: die Pornografie-Referenz stammt nicht von ihm sondern von mir) und Markus Weißkopf (Wissenschaft im Dialog), moderiert von Jan Martin Wiarda (Helmholtz Gemeinschaft). Quasi in direkter Fortsetzung des schon so titulierten "heißen Sommers der Wissenschaftskommunikation" ging es mit einer hitzigen Debatte weiter: Wachsen Wissenschaftsjournalismus und institutionelle Wissenschaftskommunikation zusammen? Gibt es neue Rollen? Ist das gut oder schlecht? Wer hat welche Aufgaben?

Das ist alles sicherlich nicht einfach zu beantworten, und vermutlich gibt es auch keine eindeutige Lösung. Aber ich hätte mir doch etwas weniger Schwarz-Weiß Malerei gewünscht, eine Unterscheidung von normativen Wünschen und empirischen Beschreibungen, eine Ausdifferenzierung zwischen Institutionskommunikation, inhaltlicher Wissenschaftskommunikation, PR und Marketing und insbesondere die Einordnung einer aus meiner Sicht wachsenden Anzahl an Wissenschaftskommunikatoren/innen, die "dazwischen" stehen.

Dies ist eine Gelegenheit mich selbst kurz vorzustellen, denn ich sehe mich als einer dieser, der zwischen den Stühlen sitzt (und da gefällt es mir eigentlich ganz gut). Mein Name ist Philipp Schrögel, ich war einmal Physiker und arbeite als selbstständiger Wissenschaftskommunikator mit einem Büro für Wissenschafts- und Technikkommunikation. Weiterhin forsche ich parallel dazu für meine Dissertation zu Bürgerbeteiligung in der Wissenschaft und bin Lehrbeauftragter am Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ebenso bin ich begeisterter Science Slammer und Science Slam Moderator. Ich weiß also nicht, welcher Hut mir in der Debatte zugesprochen worden wäre.

Ich habe mich über die Einladung als Gastblogger, gemeinsam mit Elisabeth Hoffmann, sehr gefreut. Ich will mit meinen Beiträgen keine Berichte abliefern, das wäre ohnehin nicht angemessen möglich. Vielmehr werde ich versuchen, die Diskussionen zu reflektieren, interessante Perspektiven herauszustellen und mit dem Blogger-Privileg der absoluten Subjektivität auf aus meiner Sicht wichtige Aspekte hinweisen.

Getreu diesem selbst gesetzten Ziel, möchte ich an dieser Stelle nun keinen weiteren Abriss der auf- und abwogenden Diskussion des Eröffnungspanels geben. Stattdessen möchte ich einen reflektierenden Blick auf die Gesprächsrunde werfen. Dazu habe ich im Anschluss ein Interview mit Dietram Scheufele geführt, der aufgrund seiner Position als Wissenschaftskommunikations-Forscher etwas außerhalb des Verortungs-Konfliktes steht und auch durch seine Tätigkeit in den USA einen anderen Blickwinkel darauf mitbringt.

Philipp Schrögel: Das Eröffnungspanel ist vorbei. Es war ein interessanter und kontroverser Einstieg in die Tagung. Welchen Eindruck nehmen Sie aus der Diskussionsrunde mit?


Dietram Scheufele: Die Beobachtung, dass die zugrundeliegende Frage so kontrovers verstanden wurde, war für mich am interessantesten. Ich glaube, eigentlich möchte jeder im Raum dasselbe: eine bessere Verbindung zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten beziehungsweise zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft, mit dem Ziel Bürgerinnen und Bürgern am Ende zu erlauben, bessere Entscheidungen über Wissenschaft zu treffen.

Es ist gut, dass wir uns über das "Wie" Gedanken machen. Dass es so kontrovers ist, verstehe ich aber nicht. Die Frage, wie wir zu dem Ziel kommen, sollte eher eine konstruktive als kontroverse Debatte sein.

Philipp Schrögel: Das zentrale Thema der Diskussion waren die Rollen in der Wissenschaftskommunikation und deren Definitionen. Wo sehen Sie die Herausforderung dabei und wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Abgrenzung aber auch Gemeinsamkeiten ein?

Dietram Scheufele: Die Frage der Definition ist für mich eher weniger wichtig. Erstens trägt das nichts zu einer Lösung bei und zweitens sind die bestehenden Rollen dabei, sich aufzulösen. Ein Beispiel dafür ist Ed Yong aus den USA. Ist er Journalist? Blogger? Aktivist? Pro-Science? Vermutlich ist die Antwort "ja" auf alle dieser Fragen. Ein weiteres Beispiel ist Neil de Grasse Tyson, Direktor des Hayden Planetariums in New York, Moderator der Wissenschafts-Fernsehsendung "Cosmos: A Spacetime Odyssey" und aktiver Twitterer. Zwar entzündet sich auch daran Kritik, wie die Diskussion um den scherzhaft vorgeschlagene "Kardashian Index" (ein Maß für das Verhältnis der Aktivität eines Wissenschaftlers/in auf Twitter zu seinen wissenschaftlichen Zitierungen) zeigt.   

Aber klar ist, dass die neuen Medien das Verständnis der Rollen verändern. Eine interessante Beobachtung dazu ist, dass als Repräsentantin des Journalismus mit Frau Kuhrt auch eine Vertreterin aus dem Online-Ressort auf dem Podium war und kein/e "klassischer" Print-Journalist/in.

Auch auf der akademischen Seite ändert sich etwas, auf jeden Fall beobachte ich das in den USA. Kommunikation mit der Öffentlichkeit wird auch dort ein zunehmend wichtigerer Teil der Rollenbeschreibung. So haben zum Beispiel die University of Illinois at Urbana-Champaign und die University of Wisconsin Wissenschaftskommunikation in die Tenure Guidelines der Bio-Wissenschaften mit aufgenommen.

Philipp Schrögel: Ich war von den "Science of Science Communication" Konferenzen in Washington, die ja auch von Ihnen mitorganisiert wurden sehr begeistert. Hier wurde aber der Wunsch von Markus Weißkopf nach mehr Empirie zu Wissenschaftskommunikation und den Rollen nicht überall positiv aufgenommen. In einigen Diskussionen und auf Twitter habe ich öfter gehört "Für mich ist die Situation klar, dazu brauche ich keine Forschung". Das erinnert mich an einen bekannten Satz aus einer Verhandlung des Obersten Gerichtshofs der USA, zur Abwägung zwischen Redefreiheit und Pornografie. Bezüglich der durchaus kniffligen Frage zur Definition von Pornografie befand der Richter ganz pragmatisch "I know it when i see it."

Dietram Scheufele: Da möchte ich zuerst festhalten, dass das so nicht stimmt. Wir alle glauben, dass unsere persönlichen Ansichten der Wahrheit entsprechen. Wir alle haben unsere (unbewusten) Prägungen. Forschung als systematische Betrachtung hilft dabei, eine gemeinsam geteilte Problembeschreibung und Lösungsfindung zu betreiben. Frau Kuhrt hat berichtet, dass sie gerade verschiedene Online-Formate probieren. Das ist eigentlich schon im klassischen Sinn Forschung: Probieren, Beobachten, Handlungen ableiten. Politik und Wirtschaft geben Millionen für Evaluationen, Markt- und Meinungsforschung aus, weil sie wissen dass es relevant ist. Das heißt nicht, dass Wissenschaftskommunikatoren/innen Marktforschung machen müssen. Aber sie sollten alle Erkenntnisse nutzen,die dabei helfen besser mit der Öffentlichkeit zu sprechen.

Philipp Schrögel: Braucht es dazu wirklich weitere Forschung, oder sehen das die Sozial- und Kommunikationswissenschaften nicht vielleicht auch als Gelegenheit, ihren Stellenwert innerhalb der Wissenschaft aber auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung auszubauen?


Dietram Scheufele: Pauschalisierend gesagt, war es in der jüngeren Vergangenheit vielen Sozialwissenschaftler/innen bisher eher egal ob sie relevant für die Öffentlichkeit waren. Früher ging die sozialwissenschaftliche Motivation von Alltagsfragen aus, darauf aufbauend wurde dann grundlegende theoretische Forschung betrieben. Das hat sich später umgekehrt, Forschungsfragen waren primär theoriegetrieben und abstrakt. Der Alltagsbezug wurde dann nur als sekundäre Frage oder gar nur Nebenprodukt gesehen. Jetzt ändert sich das aber wieder zurück.

Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen machen das auch nötig. Die "wicked problems of our time" sind die großen und komplizierten Fragen, mit vernetzten Abhängigkeiten, Wertabhängigkeiten und Unsicherheiten, für die es keine klaren Antworten gibt. Die Diskussion um die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel in den USA sind so ein Beispiel. Die Sozialwissenschaften haben nun bemerkt, dass diese Probleme übersetzt werden müssen und deren Struktur und Wahrnehmung erforscht werden muss.

(*Das Interview ist hier leicht gekürzt wiedergegeben)


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