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Können wir Menschen mit CRISPR-Cas intelligenter machen?

22. September 2021

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Gezeichnete DNA-Stränge, die mit einer Schere getrennt werden. Array

Mit der Genschere CRISPR-Cas kann man gezielt Änderungen an Genen vornehmen - aber kann man damit auch auf menschliche Intelligenz Einfluss nehmen? Foto: LJNovaScotia / Pixabay

Können wir Menschen mit CRISPR-Cas intelligenter machen?

Tara Sharifi ist das schlauste Kind der Welt. So lautete 2019 zumindest vielerorts die Schlagzeile. Die damals elfjährige Schülerin aus England hatte in einem standardisierten Intelligenztest 162 Punkte erzielt, und lag damit auf einem Prozentrang den neun von zehn Menschen in der Bevölkerung niemals erreichen werden. Kinder wie Tara Sharifi begeistern immer wieder mit ihren akademischen Topleistungen.

Laut Forschung haben intelligente Menschen schließlich viele Vorteile: Ein höherer Intelligenzquotient wird oftmals mit besserer körperlicher Gesundheit, höherem Lebensalter und mehr beruflichen Erfolgen in Verbindung gebracht. In unserer Wissensgesellschaft ist der Wunsch nach der Steigerung der eigenen Intelligenz daher Thema hitziger Debatten und sogar Stoff für Literatur und Filme. Häufig wird dabei die Frage diskutiert, ob man nicht genetisch nachhelfen könnte, im Streben nach größerer Intelligenz. Und tatsächlich ist die Veränderung des menschlichen Erbgutes bereits seit einiger Zeit nicht mehr nur Fiktion, sondern wichtiger Teil des wissenschaftlichen Fortschritts.

Mit der Genschere zum Erfolg?

Seit vielen Jahren schon forschen Molekularbiolog*innen an Gentherapien für Erbkrankheiten. Mit der molekularen Genschere, der sogenannten CRISPR-Cas Methode, gelang den Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier der Durchbruch. Für ihre Genschere funktionierten die beiden einen Mechanismus aus der Immunreaktion von Bakterien um. Hier hilft CRISPR das genetische Material angreifender Viren zum Schutz vor zukünftigen Bedrohungen abzuspeichern. “CRISPR” steht für “gehäuft auftretende, regelmäßig unterbrochene, kurze Palindrom-Wiederholungen” und ist auch jenseits der Immunreaktion von Bakterien ein nützliches Werkzeug. “Cas”steht für “CRISPR assoziiertes Protein”, das Enzym bildet die winzige molekulare Genschere.

Mit dem CRISPR-Cas Komplex kann man mit hoher Genauigkeit eine gewünschte Stelle auf einem einzigen Gen anvisieren. Gene bestehen aus DNA und bestimmen den individuellen genetischen Bauplan einer Person, also beispielsweise ob man mit blauen oder grünen Augen, krank oder gesund geboren wird. Mit der Schere kann man einzelne Gene an- oder ausschalten, oder neue DNA einschleusen, die wie ein Gepäckstück auf dem CRISPR-Cas Zug mitreist.

Werden wir also bald Dino-DNA aus Bernstein extrahieren und lebende Urzeitreptilien in Freizeitparks ausstellen? Könnten wir die DNA von Albert Einstein kopieren, sie ähnlich der Suchfunktion in Textverarbeitungsprogrammen in den Eizellen unserer Nachkommen einfügen und diese damit intelligenter machen?

Obwohl diese Fragen noch Zukunftsmusik sind werden ihre langfristigen Konsequenzen schon jetzt kontrovers diskutiert. Jennifer Doudna, die letztes Jahr mit Emmanuelle Charpentier den Nobelpreis erhielt, warnte, dass wir die ethischen Konsequenzen solcher Gedankenspiele gründlich erwägen müssen.

Experimente, in denen CRISPR-Cas zum Einsatz kommt, finden bereits statt. Zumeist verläuft diese Forschung in Tiermodellen, wie Ratten und Mäusen. In einer Studie gelang es Forschenden zum Beispiel das Fell von Mäusen mit der Genschere weiß zu färben, während die anderen Babys im Wurf mit einem schwarzen Fell geboren wurden.

Die Genetik der Intelligenz

Bei Eigenschaften, die eine starke genetische Komponente haben, wie die Fellfarbe von Mäusen, ist es relativ einfach mit der Genschere anzusetzen. Allerdings sind nicht alle Eigenschaften des Menschen so klar auf genetische Komponenten zurückzuführen. Vielfach spielen andere Faktoren, wie die Umwelt eine große Rolle. So auch Intelligenz. Noch immer gibt es auch unter Forscher*innen Debatten darum, welche Faktoren die Intelligenz wie stark beeinflussen.

Hinzu kommt, dass menschliche Intelligenz nicht in einem einzigen Gen verankert, sondern über viele verschiedene Gene verstreut ist. Und selbst wenn man all die bekanntermaßen mit Intelligenz assoziierten Gene in mathematischen Modellen gemeinsam betrachtet, erklären diese nur wenige Prozentpunkte Unterschied bei standardisierten Intelligenztests.

Dr. Dubravka Vucicevic am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin merkt an, dass sichergestellt werden müsste, dass die Genschere sicher und effektiv beim Menschen angewendet werden kann. Auch ethische Fragen seien in solchen Szenarien noch ungeklärt: “Wir müssen überlegen, wo wir die Grenze zwischen Behandlung und Verbesserung ziehen. Es ist klar, dass wir Krankheiten wie Sichelzellenanämie behandeln wollen, aber sollten wir die menschliche Intelligenz wirklich verbessern und dies auf eine Weise tun, die erbliche Veränderungen mit sich bringt?” sagt Dr. Vucicevic.

Schlau wie ein Fuchs - aber nicht mit CRISPR-Cas

Aktuell ist die Forschung noch weit davon entfernt, mit CRISPR-Cas Einfluss auf menschliche Intelligenz zu nehmen.

Jenseits der schwierigen ethischen und moralischen Fragen ergeben sich weitere Dilemma: so sind intelligentere Menschen nicht zwangsläufig glücklicher, und in einer fernen Zukunft, in der diese Technologie als sichere Option zur Verfügung stünde, könnten bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten durch solche Eingriffe noch weiter verstärkt werden.

Der amerikanische Dichter und Universitätsprofessor Fred Dings fasst diese Zwickmühle trefflich in seinem “Brief an die gentechnisch veränderten Supermenschen” zusammen: Verzeiht uns, wenn ihr menschliche Makel neu erfinden müsst, weil wir die einfache Tatsache nicht erkannt haben, dass das beste Leben nicht perfekt sein muss.


Bei der Beantwortung der Frage hat uns Dr. Dubravka Vucicevic am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin unterstützt. Dort untersucht sie mit Hilfe von CRISPR-Cas die Regulierung der Genexpression bei der neuronalen Differenzierung und bei Krankheiten wie dem Neuroblastom.

Mehr zur CRISPR-Cas-Methode in der Medizin erfahrt ihr hier

Redaktion: Anna Henschel

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