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Was ist Jugendsprache und warum entsteht sie?

21. Juli 2021

  • C Geistes- und Sozialwissenschaften
Gruppe von Jugendlichen läuft und unterhält sich. Array

Jugendliche sprechen eine „eigene Sprache". (Foto: Eliott Reyna/Unsplash)

„Es ist Mittwoch, meine Kerle“, sagt der 18-jährige Tom zu seinen Freunden. „Wyld, das klingt fast so, als hätten wir heute Abend einen Sauftrag zu erledigen“. „No front“, wer bei diesem Dialog etwas „lost“ ist. Denn diese Begriffe werden vornehmlich von Jugendlichen verwendet. Bevor sich Jugendliche aber so austauschen können, müssen die Wörter den Weg in ihren Wortschatz finden. Wie entsteht Jugendsprache, und was genau versteht man darunter?

Einfach gesprochen handelt es sich bei Jugendsprache um „das Sprechen der Jugendlichen“. Dieses umfasst eine Reihe unterschiedlicher Stile, die Jugendliche bewusst und abhängig vom Kontext einsetzen. Jugendsprache wird geprägt durch bestimmte Wörter, Grammatik, Intonation und Pragmatik, also die kontextabhängige und nicht-wörtliche Bedeutung von bestimmten Ausdrücken. Die Einordnung, was Jugendsprache ist und was nicht, ist subjektiv. Denn es gibt zu viele Varietäten und zu viele unterschiedliche Stile, um das objektiv festlegen zu können. Außerdem werden viele Sprechweisen auch in anderen Altersgruppen verwendet.

Damals prägten Goethe und Schiller die Jugendsprache

Das liegt unter anderem daran, dass Jugendliche irgendwann selbst zu Erwachsenen werden. Ihre Sprache nehmen sie dabei in Teilen mit, wodurch die Jugendsprache von früher zur Umgangssprache von heute wird. Das lässt sich am Wort „geil“ nachvollziehen. War es zunächst ein sexuell konnotierter Begriff, wurde er später Teil der Jugendsprache, um Begeisterung auszudrücken. Heute ist er ein weit verbreitetet Begriff der Umgangssprache.

Nicht nur die Geschichte einzelner Wörter ist nachvollziehbar, sondern auch die Geschichte der Jugendsprache selbst. Bis in die 1740er Jahre lässt sich ihre Existenz anhand von Lexika-Einträgen nachweisen. Da damals die Literatur eine wichtige Quelle für Jugendsprache war, prägten diese beispielsweise Goethe und Schiller – ganz zum Unmut der Eltern von damals. Heute ist die Rolle der Literatur als Quelle für Jugendsprache geringer ausgeprägt als früher. An ihre Stelle sind andere Massenmedien getreten, aus denen sich Jugendsprache speist: Musik, Fernsehen und immer stärker die sozialen Medien.
Neue Wörter oder Redewendungen werden dabei zunächst von einer begrenzten Gruppe Jugendlicher verwendet, beispielsweise innerhalb einer Subkultur. Wenn diese funktional sind, das heißt auf unterschiedliche Situationen anwendbar, verbreiten sie sich weiter und werden bei vielen Jugendlichen populär – wie im Fall von „cool“ oder „mega“.

Abgrenzen ja, rebellieren nein

Beim Verwenden von Jugendsprache geht es den Sprecher*innen um die Identifikation mit der eigenen Peer-Group. Dadurch entsteht zwar auch ein Abgrenzen zu den Eltern, es handelt sich aber nicht um einen bewussten Prozess oder gar ein Rebellieren. Vielmehr steht die Abgrenzung zu anderen Gruppen im Vordergrund. Jugendliche wollen mit der eigenen Gruppe auf Augenhöhe kommunizieren und verwenden daher eine eigene Art des Sprechens. Außerdem wollen sie sich als Wissende präsentieren: Wer einen Satz aus einem Film zitiert, obwohl dieser erst für Ältere freigegeben ist, kann sich unter Umständen profilieren – ohne den Film zwingend gesehen zu haben.

Daneben leben Jugendliche mit der Veränderung von Sprache ihre Kreativität aus und haben Spaß daran, mit der Sprache zu spielen. So stärken sie auch ihre Sprechkompetenz, indem sie ihre Sprache je nach Situation anpassen. Sie lernen aber auch von Älteren, ahmen deren Sprachmuster nach und verändern diese wiederum.

Ein fester Bestandteil des Erwachsenwerdens

Nicht zuletzt möchten Jugendliche mit ihrer Sprache provozieren. Als Beispiel sei eine lautstarke Gruppe Jugendlicher im Bus genannt. Doch auch hier zielen die Jugendlichen weniger auf die Erwachsenen ab, als vielmehr auf Gleichaltrige – auch wenn das so mancher Erwachsener anders wahrnimmt.

Ob Identitätsstiftung, Provokation oder schlicht Spaß: Es gibt viele Gründe, warum Jugendliche Jugendsprache verwenden. Auch wenn diese ab und an als Bedrohung der Sprache gesehen wird, ist sie ein fester Bestandteil des Erwachsenwerdens und es hat sie schon immer gegeben. Daher gilt: „No front“ an die Jugendlichen von heute, die sprechen, wie sie sprechen.

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Dr. Nils Bahlo unterstützt. Er vertritt die Professur Germanistische Linguistik/Sprachgebrauch an der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neben der Jugendsprachforschung auch die Interaktionale Linguistik sowie elektronisch vermittelte Kommunikation.

Redaktion: Maximilian Beyer

 

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